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ots.Video: Konjunkturprognose des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik

Geschrieben am 16-09-2010

Berlin (ots) -

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Uwe Angenendt
Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik des
Bundesverbandes deutscher Banken, Chefvolkswirt der BHF-Bank AG

Bernd Brabänder
Geschäftsführer Volkswirtschaft, EU-Politik und internationale
Beziehungen des Bundesverbandes deutscher Banken

Sehr geehrte Damen und Herren,

die deutsche Wirtschaft präsentiert sich zurzeit in sehr guter
Verfassung: Wie Sie an unseren revidierten Prognosen sehen werden,
wird das laufende Jahr erheblich besser ausfallen als noch vor
einigen Monaten gedacht. Allerdings - auch auf die Gefahr hin, als
"Spaßverderber" zu gelten - müssen wir vor allzu großer Euphorie
warnen. Im Straßenverkehr wäre für die gegenwärtige Wirtschaftslage
wohl am ehesten das Warnschild "Vorsicht: unebene Fahrbahn"
angebracht.

Aber, so viel schon vorab: Warnschilder für ein bevorstehendes
Gefälle sind auch nicht nötig. Wir sehen kein Abrutschen der
Konjunktur und schon gar kein Abgleiten in eine neuerliche Rezession,
weder für Deutschland noch für die Weltwirtschaft. Auslöser für einen
erneuten scharfen Einbruch, wie eine zu rasche Straffung der
Geldpolitik oder eine weitere krisenhafte Zuspitzung an den
Finanzmärkten, sind derzeit nicht zu erkennen. Die Erholung wird also
weitergehen und sich zunehmend selbst tragen, wenn auch mit einem
deutlich flacheren Anstieg.

Lassen Sie mich mit den Einschätzungen zur Weltwirtschaft und zum
Euro-Raum beginnen.

I. Weltwirtschaftliches Umfeld

Weltwirtschaft verliert an Tempo

Vor allem die Schwellenländer haben im ersten Halbjahr 2010 zur
Vorkrisendynamik zurückgefunden. Wir teilen die Sicht des
Internationalen Währungsfonds auf das laufende Jahr und rechnen mit
einem weltweiten Wachstum von etwa 4,5 %. Dies liegt nur geringfügig
unter der Expansionsrate, die die Weltwirtschaft in den Boomjahren
2004 bis 2007 im Jahresdurchschnitt erreichte.

Das Wachstumstempo wird sich in den kommenden Quartalen jedoch
abschwächen. Aus unserer Sicht sprechen dafür folgende Faktoren:

- Der Lageraufbauzyklus, der vor allem auf rezessionsbedingten
Nachholeffekten beruhte, läuft allmählich aus,

- die weltweit sehr expansive Fiskalpolitik wird gedrosselt, und

- das Wachstum in wichtigen Ländern, vor allem in den USA und in
Japan, hat sich bereits im zweiten Quartal spürbar abgeschwächt.

Die US-Wirtschaft betrachten wir momentan sogar als das größte
Sorgenkind. Zwar wächst sie seit Sommer 2009 wieder, aber die
anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die Probleme am Immobilienmarkt
machen ihr zu schaffen. Jetzt, wo die Wirkung der Konjunkturprogramme
ausläuft, wird sichtbar, dass es der Erholung in den USA an
Eigendynamik fehlt. Eine Rückkehr in die Rezession sehen wir zwar als
Risikoszenario, stufen es aber nicht als hochwahrscheinlich ein. In
dieser Meinung bestärken uns die gute Gewinnlage der Unternehmen, die
günstige Entwicklung der Unternehmensinvestitionen und die
anhaltenden Impulse durch die Geldpolitik.

Die US-amerikanische Wirtschaftslage unterstreicht allerdings,
dass die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise gerade in den
Industrieländern noch lange nachwirken werden. Die offenkundig
gewordenen strukturellen Probleme lassen sich nur langsam lösen, vor
allem die hohe Verschuldung der privaten Haushalte, der Mismatch am
US-Arbeitsmarkt, das Überangebot am Häusermarkt und das hohe
Leistungsbilanzdefizit. Mit der sprunghaft gestiegenen
Staatsverschuldung ist in den meisten Industrieländern sogar ein
weiteres Problem hinzugekommen. Es führt kein Weg daran vorbei: Das
Potenzialwachstum wird in vielen Industriestaaten in den nächsten
Jahren nicht mehr an die Vorkrisenraten herankommen. Dort ist deshalb
auch mit einer höheren strukturellen Arbeitslosigkeit zu rechnen.

Schwellenländer bleiben Wachstumslokomotive - aber mit
gedrosseltem Dampf

Auch in den Schwellenländern wird die Schubkraft in den kommenden
Monaten nachlassen. Das ist mit Blick auf China sogar eine gute
Nachricht, denn der dortigen Wirtschaftspolitik muss es darum gehen,
der Gefahr einer Überhitzung im Immobiliensektor zu begegnen.
Grundsätzlich wird der Schwung in den Emerging Markets erhalten
bleiben - etwas schwächer zwar, aber dafür mit nachhaltig
vertretbaren Raten. China wird die gewünschte sanfte Landung
meistern, indem es allmählich von Exportorientierung auf
Binnenwachstum umschaltet. Wir rechnen dort im nächsten Jahr mit
einer Wachstumsrate von 9 bis 10 %. Sollte der Tempoverlust zu stark
werden, bestehen ausreichende geld- und fiskalpolitische
Handlungsreserven zum Gegensteuern. Dies und das ebenfalls sehr
kräftige Wachstum in Indien sichern unsere Basisthese gut ab, dass
die Schwellenländer auch 2011 der Wachstumsanker der Weltwirtschaft
bleiben werden.

Weltweites Wirtschaftswachstum "normalisiert" sich

Außerdem erwarten wir nicht, dass es im Prognosezeitraum nochmals
zu größeren Störungen des Finanzsektors kommt. Anders als die
Fiskalpolitik wird die Geldpolitik die globale Konjunktur länger
stützen als vielfach angenommen, denn aufgrund der relativen
Wachstumsschwäche in vielen Ländern wird sich der Ausstieg aus der
geldpolitischen Stimulierung verschieben. Vor allem gilt: Das
zentrale Thema in den meisten Industrieländern sollte weniger die
Gefahr einer erneuten Rezession als vielmehr die niedrigere
Potenzialrate sein. Für die Wirtschaftspolitik in den betroffenen
Ländern bedeutet das, dass der Fokus von kurzfristigen Maßnahmen zur
Konjunkturstützung auf strukturelle Wirtschaftsreformen umgestellt
werden muss.

Alles zusammengenommen wird sich die Dynamik der Weltwirtschaft im
nächsten Jahr auf eine Rate von rund 4 % "normalisieren". Das ist
etwa ein halber Prozentpunkt weniger als unsere Prognose für 2010 und
noch weit von der 3 %-Schwelle entfernt, die allgemein als Grenzlinie
zu einer globalen Rezession gesehen wird.

II. Die Lage im Euro-Raum

Starkes Konjunkturgefälle im Euro-Raum

Die Konjunktur im Euro-Raum ist zurzeit heterogen. Während
Deutschland und seine Nachbarstaaten in diesem Jahr bisher stärker
expandierten als erwartet, ist die Lage im von der
Staatsschuldenkrise stark betroffenen "Olivengürtel" schwierig:
Griechenland befindet sich weiterhin in einer tiefen Rezession, in
Spanien steigt die Arbeitslosigkeit kräftig.

Die Probleme sind nicht nur auf die Sparmaßnahmen zurückzuführen,
die nach dem Ausbruch der Schuldenkrise ergriffen wurden. Ein
massiver Anpassungsprozess im Bausektor kommt hinzu, vor allem in
Spanien und auch in Irland. Nahezu alle südeuropäischen Länder leiden
außerdem unter hohen Preis- und Kostennachteilen im globalen
Wettbewerb, die sich über einige Jahre kumuliert haben und nun ihren
Niederschlag in defizitären Leistungsbilanzen finden. Wir können
daher nicht oft genug betonen: Die von der EU und dem IWF
beschlossenen Hilfsmaßnahmen haben Zeit verschafft, um mit
überzeugenden Wirtschaftsreformen gegenzusteuern, doch diese Zeit ist
nicht unbegrenzt.

Auch 2010 nur moderates Wachstum

Für den Euro-Raum ist ein breit angelegter Aufschwung nicht in
Sicht. Im Gegenteil: Die von uns unterstellte globale
Wachstumsverlangsamung wird auch die Konjunktur in der Euro-Zone
bremsen. Zumindest über die Wintermonate ist daher mit einer
Wachstumsdelle zu rechnen. Für 2010 insgesamt ist ein
Wirtschaftswachstum von 1,6 % zu erwarten. Dabei wird die Divergenz
das zentrale Kennzeichen der Konjunktur im Euro-Raum bleiben. Zur
Illustration: Ohne Deutschlands Beitrag würde der BIP-Anstieg 2010
nur 0,8 % betragen.

2011 wird sich das Wirtschaftswachstum nach einem holprigen Start
bei einer moderaten Rate stabilisieren. In den Peripherieländern wird
das Wachstum zwar gedämpft durch die schwache Wettbewerbsfähigkeit
und den Zwang zur Konsolidierung der Haushalte, aber dieser Effekt
dürfte im Jahresverlauf nachlassen. Zudem rechnen wir damit, dass
eine lebhaftere Binnennachfrage in den dynamischeren Euro-Ländern die
dämpfende Wirkung ausgleichen wird.

Im Jahresdurchschnitt 2011 wird das Wirtschaftswachstum mit 1,4 %
fast wieder die diesjährige Rate erreichen. Die Arbeitslosigkeit wird
jedoch nur geringfügig sinken und mit knapp 10 % ein gravierendes
Problem bleiben - wobei es auch hier in den einzelnen Euro-Staaten
große Unterschiede geben wird. Die gesamten Staatsschulden bezogen
auf das Bruttoinlandsprodukt dürften im nächsten Jahr an die 90
%-Marke heranreichen. Das begrenzt die wirtschaftspolitischen
Spielräume, denn für Ausgabenprogramme fehlt die Basis.

Preisentwicklung in ruhigen Bahnen

Die Debatte um die überraschend guten Konjunkturdaten aus dem
ersten Halbjahr einerseits und die Sorge vor einem deutlich spürbaren
Bremseffekt in den kommenden Monaten andererseits verdeutlicht, wie
groß die Unsicherheit über die weitere Entwicklung ist. Auch bei der
Preisentwicklung werden zwei Extreme thematisiert: Auf der einen
Seite wird vor einer zu lockeren Geldpolitik und einer demnächst
rasch anziehenden Inflationsrate gewarnt, auf der anderen Seite vor
"japanischen Verhältnissen", also einem lang anhaltenden
deflationären Prozess.

Zunächst zum Inflationsszenario: Bei den geschilderten moderaten
Konjunkturperspektiven für den Euro-Raum werden sich die Preise
vorerst nur sehr verhalten entwickeln. Die Sorge vor rasch und
kräftig steigenden Inflationsraten teilen wir nicht. Die reichliche
Liquiditätsbereitstellung der EZB ist in erster Linie ein Ersatz für
den immer noch nicht reibungslos funktionierenden Geldmarkt. Für die
Inflationsperspektiven spielt die Liquidität keine Rolle, weil sie
zurzeit keine unmittelbare Nachfragewirkung auf den Gütermärkten
entfaltet. Dies wird sich erst ändern, wenn der
Kreditschöpfungsprozess im Bankensektor deutlicher anspringt. Bis
dahin hat die EZB aber genügend Zeit, um zu reichliche Liquidität
abzuschöpfen.

Gegen ein Inflationsszenario sprechen auch die im gesamten
Euro-Raum noch stark unterausgelasteten Produktionskapazitäten. Vom
krisenbedingten BIP-Rückgang um 5,3 % vom zweiten Quartal 2008 bis
zum zweiten Quartal 2009 konnte bisher erst knapp ein Drittel wieder
aufgeholt werden. Die hohe Arbeitslosigkeit in den meisten Euro-
Ländern wird die Lohnentwicklung eng begrenzen. In den Problemländern
ist Lohnzurückhaltung auch erforderlich, weil sie
Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen müssen. Zwar war in diesen
Ländern zuletzt ein Inflationsanstieg zu erkennen. Aber dieser ist
vor allem der Erhöhung von Verbrauchssteuern und administrierten
Preisen im Zuge der Konsolidierungsprogramme geschuldet und hat also
nur eine temporäre Wirkung. Die Kerninflationsrate wird auf absehbare
Zeit niedrig bleiben.

Ernsthafte Deflationsrisiken sehen wir ebenfalls nicht. Von den
Rohstoffen kommt nachfragebedingt und bei einigen
landwirtschaftlichen Produkten auch aufgrund schlechter Ernten und
Naturkatastrophen sogar ein gewisser Preisdruck. Zudem verlangsamt
sich der über viele Jahre laufende weltweite Disflationsprozess, der
durch günstige chinesische Exportgüter bedingt war. Klar gegen
Deflationssorgen sprechen unseres Erachtens die in China angestrebte
Stärkung der Binnennachfrage und größere Wechselkursflexibilität, die
in der Tendenz zu einer Aufwertung des Renminbi führen wird, sowie
die in vielen Schwellenländern stärker steigenden Inflationsraten. Im
Euro-Raum wäre Deflation allenfalls bei einem Rückfall in die
Rezession ein Thema; das gilt auch für die USA. Im Euro-Raum ist
dieses Jahr mit einer Preissteigerungsrate von 1,5 % zu rechnen, die
im nächsten Jahr nur geringfügig auf 1,7 % steigen dürfte. Damit wird
die Preissteigerung auch 2011 unter der mittelfristigen "Zielgröße"
der EZB von knapp 2 % bleiben.

EZB wird geldpolitischen Exit im nächsten Jahr fortsetzen

Die geldpolitische Steuerung der EZB ist während aller
Problemphasen in den letzten drei Jahren gut gelungen. Es war
sachgerecht, bereits Ende 2009 den Ausstieg aus den geldpolitischen
Sondermaßnahmen einzuleiten; ebenso sachgerecht ist es gewesen,
diesen Prozess nach der Zuspitzung der Staatsschuldenkrise
vorübergehend zu unterbrechen.

2011 wird die EZB auf den Exit-Pfad zurückkehren. Dies ist auch
deshalb wichtig, weil historische Erfahrungen zeigen, dass Phasen
expansiver Geldpolitik häufig zu spät beendet und damit tendenziell
zum (Mit-)Auslöser neuer Blasen wurden. Das hat der EZB-Rat unseres
Erachtens im Blick. Durch einen frühen Einstieg in den Ausstieg
verschafft sich die Notenbank Freiheitsgrade bei der geldpolitischen
Verschärfung, sodass diese graduell und für die Gesamtwirtschaft
schonend erfolgen kann.

Das Tenderangebot mit verschiedenen Laufzeiten hat die EZB bereits
eingeschränkt, so dass sich die Liquidität mit dem Auslaufen dieser
langen Refinanzierungsgeschäfte bereits verknappt. Das
Sicherheitsnetz der Vollzuteilung hat die EZB bis über den
Jahresultimo beibehalten; doch die Banken rufen diese Liquidität kaum
noch ab. Somit nimmt die Überschussliquidität am Geldmarkt
kontinuierlich ab. Im kommenden Jahr könnte die EZB zunächst bei den
Dreimonatstendern von der Vollzuteilung abrücken und das "full
allotment" dann auch bei den kürzeren Laufzeiten sukzessive auslaufen
lassen. Keine unbedingte Verknüpfung sehen wir zwischen der Nutzung
der Vollzuteilung, die in erster Linie als stabilisierende
Liquiditätshilfe fungiert, und einer etwaigen, geldpolitisch
induzierten Leitzinserhöhung. Eine solche halten wir frühestens ab
Mitte des kommenden Jahres für wahrscheinlich. Die EZB wird dabei das
Ziel verfolgen, das krisenbedingte Leitzinsniveau wieder in Richtung
"Normalität" zu führen. Wichtige Orientierungsgrößen bei diesem
Prozess werden neben der Konjunktur- und Inflationsentwicklung auch
die Kreditvergabe und die Lage an den Finanzmärkten sein. Aus
heutiger Sicht und ausgehend von unseren übrigen Prognosen läge der
Satz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft Ende 2011 bei 1,5 %.

Euro-Dollar-Kurs: Unter Schwankungen seitwärts

Bei der Entwicklung des Euro-Dollar-Kurses halten wir ähnlich wie
in den zurückliegenden Monaten auch in den nächsten 12 Monaten
nennenswerte Schwankungen für möglich. Kurzfristig dürften die
Konjunktursorgen in den USA den Dollar belasten. Die von uns
prognostizierte Wachstumsdelle im Euro-Raum wird allerdings zu neuen
Kursrückschlägen beim Euro führen. Dieser bleibt außerdem durch die
Bürde der Schuldenkrise tendenziell belastet. Im Verlaufe des Jahres
2011 dürften aber auch die fiskalischen Schwierigkeiten der USA mehr
Aufmerksamkeit erhalten, was wiederum den Greenback drücken wird. Die
geldpolitischen Einflüsse auf den Wechselkurs werden sich etwa die
Waage halten, weil die EZB nach unserer mehrheitlichen Einschätzung
nicht deutlich vor der amerikanischen Notenbank mit einer
Zinsstraffung beginnen wird. Diese Überlegungen zusammen haben zu
unserer Prognose geführt, dass sich der Euro gegenüber dem US- Dollar
bis Ende nächsten Jahres auf dem gegenwärtigen Niveau von 1,25 bis
1,30 US-$ seitwärts bewegt. Schwankungen von bis zu 10 US- Cent um
dieses Niveau herum würden uns aufgrund der genannten Einflüsse nicht
verwundern.

III. Konjunktur in Deutschland

Kräftiger Wachstumsschub: "3 + x" für 2010 bereits fest in den
Büchern

Nach dem bemerkenswerten Wachstum im zweiten Quartal und
angesichts der Aufwärtsrevisionen für die vorhergehenden Quartale
heben wir unsere Wachstumsprognose für 2010, die bislang bei 2 % lag,
deutlich an.

Zwar wird sich das außergewöhnliche Wachstum nicht fortsetzen
lassen, weil die Nachholeffekte in der Bauwirtschaft wegfallen und
die Weltwirtschaft wie gesagt an Schwung verliert. Aber selbst bei
einer kompletten Stagnation der Wirtschaftsleistung im zweiten
Halbjahr ergäbe sich im Jahresdurchschnitt ein BIP-Anstieg von 2,8 %.
Bisher deuten noch alle Indikatoren auf ein fortgesetztes
Wirtschaftswachstum im dritten und vierten Quartal hin, auch wenn
inzwischen erste Abschwächungssignale vom Auftragseingang und der
Industrieproduktion kommen. Kurzum: Die Wirtschaftsentwicklung wird
weiter positiv, aber fühlbar gedämpfter sein.

Für den Jahresdurchschnitt 2010 ist somit in Deutschland ein
Wirtschaftswachstum von "3 + x %" bereits fest in den Büchern. Spitz
gerechnet prognostizieren wir für das laufende Jahr + 3,3 %. Das wäre
zusammen mit den Jahren 2000 (+ 3,2 %) und 2006 (+ 3,4 %) der mit
Abstand stärkste Wachstumsschub seit der Wiedervereinigung.
Allerdings täuscht diese hohe Zahl über die Wachstumsdynamik im
zweiten Halbjahr, die lediglich bei einer Jahresrate von 1 ½ bis 2 %
liegen wird.

Außenbeitrag und Investitionen: Nur verhaltene Entwicklung

Die starken Wachstumsimpulse vom Außenhandel werden im nächsten
Jahr nachlassen. Dazu dürfte auch die anziehende Binnennachfrage
beitragen, denn die Importe werden stärker zulegen als die Exporte.

Die sich abkühlende Konjunktur und das Ende der im Rahmen des
Konjunkturprogramms gewährten Sonderabschreibungen für Unternehmen
zum Jahresende lassen uns für die Ausrüstungsinvestitionen nur
verhalten optimistisch sein. Für das Wachstum 2010 werden sie mit
einem Plus von 7,5 % einen wichtigen Impuls liefern; aber die
Mehrheit in unserem Kreise rechnet für 2011 wieder mit einer
schwächelnden Investitionsdynamik, auch wenn wir keine nennenswerten
Probleme durch anziehende Finanzierungskosten oder eine restriktivere
Kreditvergabe sehen.

Gute Chance für eine langsame, aber länger anhaltende
Konsumbelebung

Im Verlauf des Jahres 2011 sollte sich die Wachstumsbasis in
Deutschland dennoch weiter verbreitern, denn wir rechnen mit einem -
wenn auch vergleichsweise verhaltenen - Anziehen des privaten
Konsums. Im Jahresdurchschnitt stiege das BIP 2011 dann um rund 2 % -
eine Rate, die erneut deutlich über dem Potenzialwachstum läge.

Für den privaten Konsum, der im laufenden Jahr faktisch stagniert,
erwarten wir einen Anstieg um gut 1 %. Gründe dafür sind der sich
weiter erholende Arbeitsmarkt, eine moderate Inflationsrate und eine
leicht nachgebende Sparquote. Bei der Arbeitslosigkeit werden wir
bereits im Durchschnitt des laufenden Jahres mit 3,24 Millionen den
niedrigsten Stand seit 1992 erreichen. Mit der von uns
prognostizierten Wachstumsverlangsamung wird auch die Dynamik am
Arbeitsmarkt etwas nachlassen. Dennoch rechnen wir im
Jahresdurchschnitt 2011 noch einmal mit einem Rückgang der
Arbeitslosigkeit um knapp 200 000 Personen auf etwas mehr als 3
Millionen. Daher sehen wir gute Chancen, dass der private Konsum in
Deutschland zu einer zwar gemächlichen, aber anhaltenden Erholung
ansetzt.

Allerdings unterstreichen die Erfahrungen in den Jahren 2007 und
2008, dass dies kein "Selbstläufer" ist. Auch damals waren mit der
guten Arbeitsmarktentwicklung beste Voraussetzungen für einen starken
privaten Konsum gegeben. Doch die kräftigen Steuererhöhungen, hohe
Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise sowie die Eskalation der Finanz-
und Wirtschaftskrise verhinderten dies dann jeweils.

Aus diesem Grund warnen wir vor allgemeinen Steuererhöhungen und
halten die für 2011 angekündigten Beitragssatzerhöhungen in der
Kranken- und Arbeitslosenversicherung für ungünstig. Eine
Voraussetzung für eine stabile Konsumbelebung ist darüber hinaus,
dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterhin lohnpolitische Vernunft
praktizieren. Wird der durch den Produktivitätsfortschritt und den
Preiserhöhungsspielraum der Unternehmen begrenzte
Verteilungsspielraum für die Löhne überschritten, wird die
Arbeitslosigkeit wieder steigen. Die ausgesprochen guten Erfahrungen,
die die Unternehmen in den letzten Jahren mit flexibleren
Arbeitszeitmodellen gemacht haben, könnten zum Beispiel auf die
Lohnpolitik übertragen werden, indem künftig etwas größere
ertragsabhängige Lohnbestandteile vereinbart werden.

IV. Wirtschaftspolitik

Kritik am "Exportmodell Deutschland" sachlich unbegründet

Für die zuletzt häufig zu vernehmende Kritik am deutschen
Leistungsbilanzüberschuss besteht im Ausschuss wenig Verständnis.
Deutschland hat angesichts einer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit
in den 1990er und 2000er Jahren mutige Reformen eingeleitet. Dazu
gehörte die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Ziel dessen - und
der Anstrengung der Unternehmen für höhere Produktivität sowie einer
schmerzhaften Zurückhaltung der Tarifparteien - war es, die Fehler
der Nachwendejahre zu korrigieren. Das ist gelungen. Heute liegt die
Arbeitslosenquote deutlich unter dem Euro-Durchschnitt. Und Studien,
die weitere Erfolge beleuchten, etwa der jüngste "Global
Competitiveness Report" des Weltwirtschaftsforums, wonach Deutschland
inzwischen die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft im Euro-Raum ist,
werden leider zu wenig gewürdigt.

Andere Staaten haben dagegen ihre angesammelten
Leistungsbilanzdefizite - oder besser, die damit verbundenen
Kapitalimporte - in zu geringem Umfang für Produktivitätssteigerungen
genutzt, etwa durch den Ausbau der Infrastruktur oder die Reform
ihrer sozialen Sicherungssysteme. Aus der Analyse der
Leistungsbilanzsalden kann daher nur der Schluss gezogen werden, dass
vor allem die Defizitländer Reformanstrengungen weiter vorantreiben
müssen.

Der Vorschlag, Überschussländern gewissermaßen eine ausgeglichene
Leistungsbilanz vorzuschreiben, verkennt dagegen die ökonomisch
sinnvolle Funktion, die solche Salden haben können. In Deutschland
etwa - wie auch in anderen alternden Staaten - ist es durchaus
sinnvoll, im Ausland zu investieren, um Anlagekapital zu streuen und
an Wachstumschancen in Schwellenländern teilzuhaben. Es senkt
letztlich den Druck auf unser Rentensystem, wenn die angelegten
Gelder nebst Rendite in Zukunft wieder zurückfließen. Und
realwirtschaftlich betrachtet: Geringere Überschüsse aus dem
Außenhandel können in marktwirtschaftlichen Systemen nicht verordnet
werden. Vielmehr sollten sich alle Euro-Staaten um ihre preisliche
Wettbewerbsfähigkeit bemühen, denn dieser Prozess ist kein
"Nullsummenspiel", sondern er führt zu Produktivitätsgewinnen für
alle Beteiligte.

Stärkere Binnennachfrage im deutschen Eigeninteresse

Dennoch ist auch richtig: Konjunkturell stünde Deutschland
stabiler da, wenn unsere Exportkraft um eine vitalere Binnennachfrage
ergänzt würde. Das ist die wohl eindrücklichste realwirtschaftliche
Lehre aus dem Rezessionsjahr 2009. Neue Konjunkturprogramme oder
Lohnanhebungen oberhalb gegebener Spielräume wären aber definitiv das
falsche Rezept und würden nur neue Probleme schaffen. Außerdem ist zu
bezweifeln, dass sich die Leistungsbilanzsalden in den hoch
verschuldeten Ländern dadurch merklich verringern würde.
Wahrscheinlicher ist es, dass dann sogar der gesamte Euro-Raum ins
Minus rutscht.

Also führt auch für Deutschland am "Bohren dicker Bretter" kein
Weg vorbei: Es geht um bessere Investitionsbedingungen, gute
Bedingungen für Forschung, Entwicklung und Bildung und den Abbau von
Marktzugangsbarrieren im Dienstleistungssektor und von
Produktmarktregulierungen, etwa überflüssiger Genehmigungs- und
Zulassungsverfahren, wie von der OECD im Frühjahr vorgeschlagen. Denn
hier liegen wir nur auf mittleren und hinteren Plätzen.

Lage der Banken in Deutschland

Abschließend ein Blick aus wirtschaftspolitischer Sicht auf unsere
eigene Branche, den Bankensektor: Dessen Lage hat sich insgesamt im
Vergleich zur Situation vor Jahresfrist verbessert - auch dank der
raschen und kräftigen Konjunkturerholung. Die Bilanzen wurden
konsolidiert, die Eigenkapitalausstattung verbessert, die
Risikovorsorge aufgebaut, und die Abhängigkeit von kurzfristigen
Refinanzierungsquellen wurde verringert.

Dieser an sich positive Befund muss im Zusammenhang mit weiter
bestehenden Herausforderungen gesehen werden, vor allem:

- die im internationalen Vergleich niedrige Profitabilität als
andauerndes Problem,

- eventuell aber auch eine erneute Zuspitzung der
Staatschuldenkrise im Euro-Raum,

- und schließlich die noch ungewisse Gesamtwirkung der
Regulierungspläne im Bankenbereich.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Jede einzelne Regelung mag
sinnvoll sein, auch wenn man im Detail darüber diskutieren kann. Für
die Banken stellt schon Basel III eine nennenswerte Herausforderung
dar. Innerhalb der Übergangsfrist werden die Banken das Notwendige
unternehmen müssen, um den Anforderungen nachzukommen. Die deutschen
privaten Banken können das aber alles in allem stemmen. Die
Einstandskosten für Liquidität und Kapital dürften tendenziell
steigen. Aus heutiger Sicht muss man mit Blick auf die
Finanzierungslage der Wirtschaft jedoch nicht schwarz in schwarz
malen. Gleichwohl muss nun jede Bank für sich eine adäquate Mischung
aus Gewinnthesaurierung und Kapitalerhöhung finden.

Sowohl die Seite der Regulierer, der Baseler Ausschuss und das
Financial Stability Board, als auch die Seite der Regulierten haben
Analysen zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen vorgelegt.
Natürlich arbeiten solche Studien stets mit Annahmen und sind deshalb
mit Unsicherheit verbunden. Wichtig ist aber zweierlei: Das
Bankensystem darf nicht zum gesamtwirtschaftlichen Bremsklotz werden.
Und deshalb ist sorgfältig auf die kumulative Wirkung aller Maßnahmen
zu achten. Auswirkungsstudien - etwa der EU-Kommission im Zuge der
Umsetzung der Baseler Vorgaben ins EU-Recht - bleiben daher auch in
der kommenden Zeit unerlässlich, will man keine Überraschungen
erleben.

Im Video der Chefvolkswirt des Bankenverbandes Bernd Brabänder im
Interview über Konjunktur-Perspektiven, Arbeitsmarkt und Lage der
Banken.

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Originaltext: Bundesverband deutscher Banken
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Pressekontakt:
Dr. Kerstin Altendorf
Pressesprecherin
Bundesverband deutscher Banken

Tel: +49/30/1663-1250
Mobil: +49/160/8828-556
Fax: +49/30/1663-1299
Mail: kerstin.altendorf@bdb.de

Im Internet: www.bankenverband.de


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