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Börsen-Zeitung: Unsichere Zeiten, Börsenkommentar "Marktplatz", von Stephan Balling.

Geschrieben am 25-06-2010

Frankfurt (ots) - Die Zeiten sind ungewiss. Das zeigt sich an der
Erwartung der Investoren über die künftige Entwicklung des Dax. Am
Freitagnachmittag betrug die Put-Call-Ratio auf den Index an der
Terminbörse Eurex 1,2. Fast die Hälfte der Terminmarktteilnehmer
glaubt also an steigende Kurse und setzt auf Calls, eine leicht
größere Gruppe sieht in den kommenden Monaten eher einen schwächeren
deutschen Leitindex und kauft Puts, also Verkaufsoptionen. Nicht viel
anders sieht es an der weltgrößten Terminbörse in Chicago aus: Hier
lag die Put-Call-Ratio am Donnerstag nach Handelsschluss bei 0,82, es
gibt also jenseits des Atlantiks auch nicht viel mehr Optimisten als
hierzulande.

Die Vorsicht der Anleger ist berechtigt. Vor allem von Seiten der
Konjunktur drohen den Märkten neue Nackenschläge, gleichzeitig ist
aber nicht auszuschließen, dass die Welt im zweiten Halbjahr solides
Wachstum erlebt. Die Experten streiten, wie die Weltwirtschaft
reagiert, wenn die Konjunkturprogramme der Staaten auslaufen. Völlig
unklar ist, ob sich die Verspannungen am Geldmarkt weiter verschärfen
und irgendwann die Kreditvergabe und damit die Konjunktur abwürgen.

Überhaupt das Thema Banken: Welche Risiken schlummern noch in den
Bilanzen, welche Auswirkungen hätte der Kredit-Default eines
europäischen Landes auf die Bankbilanzen und auf das Finanzsystem?
Auch viele sonst meinungsfreudige Analysten geben sich in diesen
Tagen vorsichtig, wenn es um diese Fragen geht. Sicher sei nur, dass
die Volatilität zunehme, heißt es dann. Aber was soll der Anleger mit
dieser Info anfangen?

Tatsächlich können negative Nachrichten am Aktienmarkt auch
befreiend wirken, vor allem wenn sich zeigt, dass das System trotz
neuer Schockwellen nicht in sich zusammenstürzt. Sollte Griechenland
in den kommenden Wochen oder Monaten bekannt geben, dass es einen
Teil seiner Schulden doch nicht begleichen wird, kann das durchaus
positiv auf die Aktienbörsen wirken, nach dem Motto: Endlich ist es
vorbei! Es wäre nicht das erste Mal, dass die Märkte den
tatsächlichen Eintritt eines lange antizipierten Negativ-Ereignisses
für eine Hausse nutzen. Wiederholt ließ sich das bei Kriegsausbrüchen
beobachten, aber auch im Fall der US-Tabakfirmen Ende der neunziger
Jahre.

Im Jahr 1998 hatten sich die vier größten Tabakkonzerne der USA
mit den Generalstaatsanwälten von 46 Bundesstaaten darauf geeinigt,
dass die Unternehmen in den folgenden 25 Jahren einen Mindestbetrag
von 206 Mrd. Dollar zahlen müssen. Es dauerte noch einmal gut zwei
Jahre, bis alle Einspruchsmöglichkeiten endgültig begraben waren. Der
Aktienkurs von Philip Morris halbierte sich in dieser Zeit der
Ungewissheit. Als offizielles endgültiges Zustimmungsdatum gilt der
30. Juni 2000. An diesem Tag schloss die Aktie von Philip Morris bei
6,1481 Dollar. Obwohl die Strafe als überaus hart empfunden wurde,
wirkte die endgültige Klärung des Rechtsstreits auf die Börsianer
befreiend: Philip Morris legten bis Jahresende um 40% zu auf 10,18
Dollar, und das in einem Zeitraum, in dem der S&P500 um 10%
zurückging.

Ein Default Griechenlands muss auf die Aktienmärkte also nicht
negativ wirken, wenn daraus keine neue Bankenkrise erwächst. Dazu
kommt derzeit eine Reihe positiver Nachrichten: China lässt den Yuan
aufwerten, was etwa dem Export der Eurozone einen zusätzlichen
Gewinnschub verleihen dürfte, zusätzlich zum ohnehin schwächelnden
Euro. Das Gemeinschaftsgeld dürfte auch in den kommenden Wochen
weiter an Wert verlieren. Dafür spricht einerseits die Charttechnik.
Andererseits gehen die meisten Marktteilnehmer derzeit davon aus,
dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) vor der Europäischen
Zentralbank (EZB) in den Zinserhöhungszyklus einsteigen wird. Neben
der Schuldenkrise in Euroland stützt den Dollar derzeit also ein
Zinsvorteil, was wiederum Eurolands Exporteuren nutzt.

Für die Aktienkurse wird auch entscheidend sein, wie die
anstehende Berichtssaison läuft. Am kommenden Mittwoch endet das
zweite Quartal, am 12. Juli wird der US-Konzern Alcoa traditionsgemäß
als erstes Schwergewicht seine Ergebnisse über den Zeitraum April bis
Juni vorlegen. Was Alcoa mitteilen wird, ist freilich noch ungewiss.

(Börsen-Zeitung, 26.6.2010)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
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