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Freie Presse (Chemnitz): Freiberger Wissenschaftler dämpft Euphorie über Bodenschätze in Afghanistan

Geschrieben am 17-06-2010

Chemnitz (ots) - Freiberger Wissenschaftler dämpft Euphorie über
Bodenschätze am Hindukusch

Wissenschaftler: Bodenschätze in Afghanistan sind "Schnee von
gestern"

Freiberg. Die zu Wochenbeginn von den USA verbreiteten neuen
Erkenntnisse über ungeheuere Mengen von Bodenschätzen in Afghanistan
sind von einem Wissenschaftler der TU Bergakademie Freiberg als
Schnee von gestern bewertet worden. Lothar Ratschbacher, Professor am
Institut für Geologie, stellte im Gespräch mit der in Chemnitz
erscheinenden "Freien Presse" klar, dass lediglich eine Neubewertung
von Erkenntnissen aus den 1960er und 1970er Jahren erfolgt sei.
Sowohl deutsche, vor allem aber Wissenschaftler der Sowjetunion
hätten die Region damals geologisch erforscht. Die TU Bergakademie,
die auf dem Weg ist, sich als Ressourcen-Universität zu etablieren,
sei gegenwärtig in ein Forschungsprojekt zur Entstehung des
Pamir-Tibet-Plateaus eingebunden. Die Wissenschaftler wollen
erkunden, wie das größte Plateau der Erde entstanden ist, um daraus
Rückschlüsse auf mögliche Lagerstätten zu ziehen. Weitere geologische
Expeditionen Freiberger Forschen starten in Kürze. Sie wollen 1,5
Tonnen Gesteinsproben nach Freiberg holen und analysieren. 2011 ist
ein Projekt direkt in Afghanistan geplant.

In der Folge stellt "Freie Presse" das in der Ausgabe vom 17. Juni
erscheinende Interview zur Verfügung.

Wissenschaftler dämpft Euphorie über Goldrausch am Hindukusch

TU Bergakademie Freiberg befasst sich seit Jahren mit
Bodenschätzen im Pamir - Im Sommer startet neue Expedition

Freiberg. Die Nachricht von "einem atemberaubenden Potenzial" an
Bodenschätzen in Afghanistan ist an der TU Bergakademie eher
verhalten aufgenommen worden. Die sächsische Einrichtung, die sich
als die Ressourcenuniversität Deutschlands etabliert, befasst sich
schon lange mit der Geologie dieser Region. Maßgeblich daran
beteiligt ist Lothar Ratschbacher von der Professur für Tektonik. Er
arbeitet seit 1999 in Freiberg. Mit dem Österreicher sprach gestern
Gabi Thieme.

Freie Presse: Warum schmunzeln Sie bei so sensationellen
Meldungen? Lothar Ratschbacher: Erstens gab es keine neuen
Untersuchungen durch amerikanische Geologen. Und schon gar nicht
wurden systematische Untersuchungen vor Ort durchgeführt. Es ist
vielmehr eine wissenschaftliche Neubewertung geologischen Materials,
vor allem von Karten, aus der Zeit der Sowjetunion erfolgt. Die UdSSR
hatte Afghanistan vor allem in den 1970er Jahren systematisch
geologisch erforscht - übrigens aufbauend auf deutschen Arbeiten, die
vor allem in den 1960er Jahren, in einer friedlicheren Epoche in
Afghanistan, durchgeführt wurden. Die jetzt verbreiteten
Untersuchungen führte der geologischen Dienst der USA durch, das ist
eine Art Bundesanstalt für Rohstoffe und Geowissenschaften der
Vereinten Staaten. Dazu kamen noch neuere Untersuchungen aus der Luft
mittels Satellit und Flugzeug, die aber für eine Bewertung von
Mineralvorkommen nicht aussagekräftig sind.

Freie Presse: Was uns als Neuigkeiten mitgeteilt wurde, ist also
für Sie Schnee von gestern? Ratschbacher: So ungefähr. Das ergibt
sich daraus, dass die geologischen Bedingungen Afghanistans auch in
den Ländern Tadschikistan, im Nordteil Pakistans und im Westen Chinas
anzutreffen sind. Und diese Gebiete kennt man und kennen wir viel
besser als Afghanistan.

Freie Presse: Woher kennen Sie die? Ratschbacher: Meine Gruppe
arbeitet seit 1993 im angrenzenden Pamirgebirge, das zu
Tadschikistan, Kirgistan und China gehört. Zurzeit laufen dort zwei
Projekte. Eines ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
gefördertes Projekt, in dem Wissenschaftler der Universitäten
Freiberg, Jena und vom Geoforschungszentrum Potsdam geologische und
geophysikalische Untersuchungen zur Entstehung des
Pamir-Tibet-Plateaus durchführen.

Freie Presse: Was hat das mit Erkenntnissen über vermutete
Rohstoffvorkommen zu tun? Ratschbacher: Nur wenn man weiß, wie ein
Gebirge oder in diesem Fall das größte Plateau der Erde entstanden
ist, weiß man um die Prozesse, die zur Bildung einer Lagerstätte
führen und wo sich solche befinden. Bestimmte Vorkommen gibt es nur
in ganz bestimmten Gesteinen.

Freie Presse: Sie sprachen gerade von zwei Forschungsprojekten?
Ratschbacher: Ja, in diesen Wochen ist ferner eine zehnköpfige
Freiberger Gruppe im afghanisch-tadschikischen Becken unterwegs.
Diese Forschung wird von der französischen Ölfirma Total finanziert
und zielt auf eine Analyse möglicher Erdgasvorkommen. Man versucht,
die Vorkommen neu zu bewerten. Ölkonzerne müssen langfristig, also
fünf bis zehn Jahre im Voraus planen, genau abwägen, ob und wann sie
die Konzession zur Förderung erwerben.

Freie Presse: Reiche Mineralvorkommen sind nur ein Aspekt. Der
wirtschaftliche Abbau und Verkauf sowie die politische Situation der
andere. Ratschbacher: So ist es. Das sieht man auch daran, dass
zurzeit kein Bergbau in jenen Bereichen Tadschikistans, Pakistans und
Chinas betrieben wird, die ähnliche geologische Bedingungen wie
Afghanistan aufweisen. Aktive Gold- und Kupferminen finden sich nur
weiter nördlich im Tien Shan. Am Tibetplateau gibt es auch bedeutende
Salzseen. Sie enthalten Lithium, den Rohstoff der Zukunft. Die Seen
liegen in etwa 5000 Meter Höhe. Viele Gebiete des Plateaus sind so
unzugänglich, dass dort bisher viel weniger Menschen als in der
Antarktis waren. Es ist unglaublich aufwändig, diese Lagerstätten zu
erforschen, zu erschließen und wirtschaftlich zu betreiben. Selbst
dann, wenn es eine große Nachfrage aus dem Boomland China gibt.

Freie Presse: Haben Sie noch mehr solcher Beispiele? Ratschbacher:
Reiche, bereits genau untersuchte Kupfer- und Goldvorkommen gibt es
zum Beispiel in Südtibet, in geologischen Gebieten, wie man sie auch
in Afghanistan findet. Aber auch diese werden zurzeit nicht weiter
aufgeschlossen, obwohl bereits eine neue Bahnlinie diesen Raum mit
Westchina verbindet.

Freie Presse: Warum nicht? Ratschbacher: Dazu müssen der
Weltmarktpreis steigen und sich die chinesische Politik ändern. Denn
China behält sich ganz bewusst strategische Reserven vor. Für
Afghanistan gilt, dass dort zuerst einmal die Infrastruktur aufgebaut
werden muss, um nach einer langen Phase der Neuerkundung und
Erschließung zu einer wirtschaftlichen sinnvollen Verwertung zu
kommen. Dort fehlt es an allem.

Freie Presse: Dazu kommt doch sicher auch die politische
Situation? Ratschbacher: Auf jeden Fall. Total weiß genau, dass es
auch mittelfristig keinen Sinn macht, Erdgas aus dem
afghanisch-tadschikischen Becken zu fördern, da es problematisch ist,
die Vorräte zu vermarkten. Die Firma finanziert nur eine Ausweitung
unserer Grundlagenforschung. Im Fall von politisch-ökonomischen
Änderungen will man aber reagieren können.

Freie Presse: Sie werden in Kürze wieder in diese Region reisen?
Ratschbacher: Es werden in diesem Sommer drei Gruppen zeitversetzt
jeweils drei bis vier Wochen unterwegs sein. Sie arbeiten genau
nordwestlich der gold-, eisen- und kupferreichen afghanischen
Provinzen Badachshan und Wachan, und zwar in der tadschikischen
Provinz Gorny-Badakshan. Wir werden Gesteinsproben entnehmen und pro
Expedition etwa eine halbe Tonne als Luftfracht mit nach Freiberg
bringen. Die Proben werden dann hier analysiert. Das alles ist ein
auf 1,5 Jahre angelegtes Forschungsprojekt.

Freie Presse: Und 2011 steht tatsächlich Afghanistan auf dem Plan?
Ratschbacher: Wir sind natürlich nicht lebensmüde und werden uns als
Geologen nicht in verminte Gebiete begeben. Wir planen eine
Expedition in die afghanische Provinz Wachan. Das ist ein Korridor,
in dem es keine Kämpfe gibt. Wir arbeiten dazu auch mit der
Aga-Khan-Stiftung zusammen. Das ist eine nichtstaatliche
Entwicklungshilfsorganisation, die neben Schulen dort auch eine neue
Universität baut. Wir bilden in Freiberg zum Beispiel Wissenschaftler
aus diesen zentralasiatischen Ländern aus, die dort als Dozenten
arbeiten werden.

Originaltext: Freie Presse (Chemnitz)
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/46027
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_46027.rss2

Pressekontakt:
Freie Presse (Chemnitz)
Torsten Kleditzsch
Telefon: +49 371 656-10400
torsten.kleditzsch@freiepresse.de


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