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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Amoklauf von Ansbach

Geschrieben am 21-09-2009

Bielefeld (ots) - Nun wissen wir also mehr: Georg R., der
Amokläufer vom Ansbacher Gymnasium Carolinum, handelte aus »Hass
gegen die Menschheit im Allgemeinen und gegen die Institution
Schule«. Das teilte die Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger gestern
mit - und konnte damit doch nichts erklären.
Auf 80 Seiten, gerichtet an eine in seinem wahren Leben nicht
vorhandene weibliche Vertrauensperson, schrieb der Oberstufenschüler
von seinen Ängsten, das Abitur nicht zu schaffen, die Zukunft nicht
zu bewältigen, der Angst vor schwerer Krankheit, der Angst, keine
Freundin zu finden. Er hatte Angst, ein Leben als Einzelgänger führen
zu müssen. Kurz: Georg R. hatte Angst vor dem Leben, Georg R. war
lebensmüde vor Angst. Aber er hatte wohl auch Angst, sich das Leben
zu nehmen. Und setzte daher auf das wahnsinnige Instrument, auf das
sich bisher noch alle seine Vorgänger verlassen konnten: Er hoffte
darauf, als Amokläufer durch Polizeikugeln zu sterben - und
gleichzeitig, wenigstens auf diese Weise, einmal die Beachtung zu
finden, die ihm bisher - gefühlt - versagt geblieben war.
Das alles hören wir nun also. Doch begreiflicher macht es die Tat
nicht. Denn Georg R.'s Ängste waren weithin unbegründet. Aber all
jene, die ihn kannten, ja ihm so nahe standen wie seine Eltern und
Schwestern, nahmen offenbar nicht wahr, was in dem Jungen vorging.
Nicht anders war es ja bei Georg R.'s Vorgängern, vielleicht
Vorbildern, gewesen. Ob der Amoklauf von Winnenden, bei dem der
17-jährige Tim K. am 11. März 15 Menschen umgebracht hatte, um
schließlich selbst zu sterben, der Anlass für die Pläne des jungen
Ansbachers war, wissen die Ermittler nicht. Jedenfalls fand sich
nichts darüber in seinen Aufzeichnungen. Allein, die zeitliche Nähe
der Ereignisse spricht dafür: Georg R. begann im April, kaum dass
Winnenden von den Titelseiten verschwunden war, sein apokalyptisches
Szenario auszugestalten. Möglichst viele wollte er mitnehmen in den
Tod. Ein Wunder, dass letztlich alle überlebten und es wenigstens
Hoffnung gibt, dass auch die zwei schwerverletzten Schülerinnen
genesen werden.
Der Amoklauf des Georg R. steht in der unheilvollen Reihe jener des
Robert S. am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im April 2002, des Bastian
B. an der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten Ende 2006 und
dem des Tim K. in Winnenden. Bei allen stand hinterher schnell fest,
dass es sich »irgendwie« um Ausgegrenzte handelte. Und schnell stand
stets auch fest, dass Eltern und Schule mehr Zuwendung, Anerkennung
und Hilfe geben müssten, damit das schlimmste der denkbaren
Ereignisse nicht mehr eintritt.
Ein frommer Wunsch: Bei Georg R. wie den anderen war ein Kurzschluss
dieser Art nicht vorhersehbar. Und auch, wenn sich mit ihm nun
erstmals einer jener Wahnsinnstäter vor Gericht verantworten werden
muss, weil er überlebte: Ein Urteil wird sich finden - eine Erklärung
nicht

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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