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Ein Chip für das Auge: Sehprothesen auf dem Prüfstand der Forschung / Internationales Symposium am 19. September 2009 in Bonn

Geschrieben am 18-09-2009

Bonn (ots) - Der Chip im Auge ersetzt den Blindenstock - zu Beginn
der neunziger Jahre erschien diese Idee utopisch. Inzwischen laufen
die entscheidenden klinischen Studien vor der Zulassung der
elektronischen Sehhilfen. "Wir befinden uns auf der Zielgeraden zur
Markteinführung der ersten Systeme", erklären Experten bei einer
Pressekonferenz im Vorfeld des internationalen Symposiums "Artificial
Vision", das am 19. September 2009 im Bonner Wissenschaftszentrum mit
Wissenschaftlern aus 14 Ländern.

Mobil sein und sich orientieren können, ein unabhängiges Leben
führen, Gesichter erkennen und lesen können - sehbehinderte oder
erblindete Patientinnen und Patienten mit degenerativen
Netzhaut-(Retina-)Erkrankungen würden diese Fähigkeiten gerne zurück
gewinnen. Das zeigte eine ältere Umfrage. Vor zehn Jahren hatte eine
Forschergruppe unter anderem die Erwartungen von Patienten an eine
elektronische Sehprothese ("Retina-Implantat") untersucht.

Heute erscheinen diese Wünsche der Patienten nicht mehr utopisch.
Das belegen die Präsentationen bei dem internationalen Symposium
"Artificial Vision" am 19. September 2009 im Bonner
Wissenschaftszentrum. Veranstalter sind die "Retina Implant
Foundation" und die "Pro Retina Stiftung zur Verhütung von
Blindheit", eine Stiftung der Patientenorganisation Pro Retina
Deutschland e.V.

Seit mehr als 20 Jahren tüfteln Wissenschaftler an Sehprothesen.
Vor allem in Deutschland wurde diese Forschung intensiv gefördert,
weil Wissenschaftler und Patienten in starker Allianz die Projekte
gemeinsam vorantrieben. Sie konnten die Politik überzeugen,
entsprechende Fördermittel bereit zu stellen. "Wir wollten damals
nicht nur Hightech für die Erforschung des Weltraums und für die
Verteidigung, sondern endlich Hightech für die Menschen", erinnert
sich Professor Rolf Eckmiller, Neuroinformatiker an der Universität
Bonn und einer der Pioniere auf dem Gebiet.

Diese Investition trägt jetzt Früchte. Die deutschen Konsortien
spielen auf ihrem Forschungsgebiet in der Champions League: Drei der
vier Forschergruppen, die ihre klinischen Ergebnisse in Bonn
präsentieren, stammen aus Deutschland.

Wie diese Präsentationen zeigen, vermitteln alle elektronischen
Sehhilfen Seheindrücke, sogenannte Phosphene. In einer US-Studie
konnten die Patienten hell und dunkel unterscheiden sowie Bewegungen
und größere Objekte wahrnehmen. Und es gibt erste Berichte der
deutschen Forschergruppe um Professor Eberhart Zrenner von der
Universität Tübingen, dass auch die Lesefähigkeit nicht nur ein
frommer Wunschtraum ist: Einzelne Patienten können Buchstaben lesen,
wenn diese acht Zentimeter groß sind.

"Wir befinden uns auf der Zielgeraden", erklärt Professor Peter
Walter von der Universitätsaugenklinik Aachen, der wissenschaftliche
Leiter des Symposiums "Artificial Vision". "Die letzten Studien vor
der Markteinführung sind angelaufen oder werden jetzt anlaufen",
resümiert er den derzeitigen Stand. Bei diesen Untersuchungen geht es
um die Langzeitverträglichkeit der Implantate und deren Nutzen im
täglichen Leben. Die Hersteller gehen davon aus, dass die Prothesen
im Jahr 2011 ihre Zulassung erhalten.

Entsprechend groß ist das Interesse der Betroffenen. "Im Vergleich
zu unserer alten Umfrage von vor zehn Jahren sind die Vorstellungen
der Patienten aufgrund der klinischen Studien konkreter geworden",
sagt Helma Gusseck, die Vorsitzende der Stiftung Retina-Implantat.
Gusseck, auch Vorsitzende der Pro Retina Stiftung leidet selbst an
Retinitis Pigmentosa, einer degenerativen Netzhauterkrankung, und
kann nur noch hell und dunkel unterscheiden. Für sie sorgen die
Forschungsergebnisse für Entspannung: "Man kann quasi in Ruhe
erblinden, weil man weiß, dass die Systeme bald ausgereift sind und
wir daher eine Option haben."

Die Entwicklung ist allerdings noch lange nicht am Ende - ganz im
Gegenteil. "Wir sehen einen Wettlauf der Systeme", sagt Peter Walter.
Bei einem System - dem subretinalen Implantat - wird der Chip unter
die Nervenzellschicht in der Netzhaut eingepflanzt. Dort empfängt er,
den Photorezeptoren in der Netzhaut ähnlich, Lichtimpulse, wandelt
sie in elektrische Signale um und überträgt diese auf die
Nervenzellen der Netzhaut. Nach diesem Prinzip funktioniert die
Sehprothese der Gruppe von Eberhart Zrenner in Tübingen sowie die
Prothese einer US-Wissenschaftlergruppe um Joe Rizzo und Shawn Kelly
vom Boston Implant Project in Cambridge, Massachusetts.

Bei dem sogenannten epiretinalen Implantat wird der Chip auf der
obersten Nervenzellschicht fixiert. Er empfängt Daten von einer
kleinen Kamera an einer Brille, die der Patient trägt, und wandelt
diese ebenfalls in Impulse für die Nervenzellen um. Nach diesem
Prinzip funktionieren die Prothesen der beiden anderen deutschen
Gruppen. Das eine System - IRIS - wurde von der Bonner Firma IMI
entwickelt, das andere (EPIRET3) von einem Forscher-Konsortium. In
ihm arbeiten Wissenschaftler der RWTH Aachen sowie vom Fraunhofer
Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme mit Ärzten
der Universitätsaugenklinik Aachen um Peter Walter zusammen.

Neben diesen verschiedenartigen Systemen, die sich auch noch in
weiteren Details unterscheiden, wächst in Laboratorien rund um die
Welt schon die nächste Sehprothesen-Generation heran. Das Wissen von
Ingenieuren, Informatikern, Biologen und Medizinern vereinigt sich zu
neuen Strategien, wie Elektronik und Nervensystem sich miteinander
verknüpfen lassen.

Forschergruppen in der Schweiz und in Japan entwickeln
beispielsweise Systeme, bei denen der Chip nicht mehr ins Auge
implantiert, sondern außen auf der sogenannten Lederhaut befestigt
wird, die den Augapfel in der Augenhöhle schützt. Nur noch die
Elektroden, welche die Nervenzellen in der Retina stimulieren, werden
durch einen kleinen Schnitt in das Augeninnere vorgeschoben.
Chinesische Forscher entwickeln Prothesen, die nicht mehr die
Nervenzellen der Retina, sondern direkt den Sehnerv stimulieren. Und
eine amerikanische Forschergruppe versucht die Sehrinde des Gehirns
direkt zu aktivieren. Ob und wann diese Ansätze jedoch an Patienten
erprobt werden, kann derzeit nicht beurteilt werden - die Versuche
befinden sich noch im Experimentierstadium.

Auf großes Interesse stoßen auch Ansätze, andere
Kommunikationssignale zwischen Nervenzellen nutzbar zu machen:
Australische und amerikanische Wissenschaftler arbeiten an
Sehprothesen, die keine elektrischen, sondern biochemische Impulse
produzieren. Die Prothesen sollen Hirnbotenstoffe (Neurotransmitter)
nach räumlich und zeitlich kontrollierten Mustern freisetzen und so
die Nervenzellen stimulieren.

Offen ist, ob die Prothesen irgendwann einmal das leisten können,
was sich Rolf Eckmiller wünscht: die Gestaltwahrnehmung. "Dies setzt
eine lernfähige Prothese voraus, die es schafft, eine Art von Melodie
aus Impulsen zu erzeugen, die im Gehirn entsprechend erkannt und
einer Gestalt, etwa einer Tasse, zugeordnet werden kann." Eckmiller
ist davon überzeugt, dass das komplexe zentrale Sehsystem - es nimmt
immerhin ein Drittel der Großhirnrinde ein - nur dann eine
Sehwahrnehmung leisten kann, wenn über eine hinreichend große Zahl
von Nervenzellen die richtige "Melodie" weitergeleitet wird.

Originaltext: Pro Retina Deutschland e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/72629
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_72629.rss2

Pressekontakt:
Pressestelle
Dipl. Biol. Barbara Ritzert
ProScience Communications - die Agentur für
Wissenschaftskommunikation GmbH
Andechser Weg 17
82343 Pöcking/Starnberger See
Fon: 08157 93970
Fax: 08157 9397-97
ritzert@proscience-com.de


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