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Deutscher Ethikrat veranstaltete Forum zu Fragen der personalisierten Medizin

Geschrieben am 25-06-2009

Berlin (ots) - Unter dem Titel "Die Medizin nimmt's persönlich"
hat der Deutsche Ethikrat am 24. Juni im Rahmen seiner dritten
öffentlichen Abendveranstaltung der Reihe "Forum Bioethik" über
Möglichkeiten und Grenzen der Individualisierung von Diagnose und
Therapie diskutiert.

Therapien seien nicht so wirksam, wie sie sein könnten, weil viele
Patienten Medikamente erhielten, die nicht optimal für sie geeignet
seien. Dies erklärte Friedemann Horn vom Institut für Klinische
Immunologie und Transfusionsmedizin der Universität Leipzig im
einführenden Vortrag zu den wissenschaftlichen, medizinischen und
technischen Aspekten der personalisierten Medizin. Da klinisch
scheinbar identische Erkrankungen teilweise unterschiedliche
molekulare Charakteristika aufwiesen, reagierten Patienten
verschieden auf Medikamente. Eine individualisierte oder
personalisierte Medizin ziele darauf ab, solche Krankheits-Subtypen
zu erfassen, die individuelle Ansprechbarkeit auf Therapien zu
prognostizieren sowie perspektivisch neue individualisierbare
Therapieformen und eine optimale, auf den Patienten abgestimmte
Behandlung zu entwickeln. Ein anderer Fokus liege auf der Erforschung
genetischer Krankheitsrisiken; es habe sich aber gezeigt, dass
komplexe Erkrankungen nicht allein von genetischen Faktoren bestimmt
würden. Neben diesen und anderen biologischen Parametern seien auch
Umwelt- und Lebensstilfaktoren zu berücksichtigen.

Norbert Paul vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der
Medizin der Universität Mainz referierte über die ethischen und
gesellschaftlichen Aspekte des Themas. Er betonte, dass die
personalisierte Medizin bezogen auf ihre klinische Anwendbarkeit zwar
noch in den Kinderschuhen stecke, nicht aber mit Blick auf die
erweiterten Möglichkeiten der Informationsgewinnung. Die klinische
und genombasierte Ermittlung von Erkrankungsrisiken biete jedoch
nicht nur die Chance einer Differenzierung von Therapieangeboten,
sondern provoziere eine Reihe ethischer Fragen: Ist eine
Individualisierung nicht zwangsläufig mit einer genetischen oder
biologischen Diskriminierung verbunden? Bedeutet sie eine Steigerung
der Autonomie oder den Verlust an informationeller Selbstbestimmung?
Führt die Personalisierung zu einer besseren sozialen Erreichbarkeit
von Gesundheitsangeboten?

Mit diesen Fragen leitete Paul direkt in die anschließende
Podiumsdiskussion über, an der neben den beiden Referenten die Kölner
Journalistin Sibylle Herbert und Klaus Lindpaintner von den Roche
Molecular Medicine Laboratories in Basel teilnahmen. Durch die
Diskussion führte Ethikratsmitglied Regine Kollek.

Lindpaintner sah durchaus Vorteile in der personalisierten oder
"präziseren" Medizin, die auf den Erfolgen der bereits praktizierten
Differenzialdiagnostik aufbaue. Er sehe lediglich die Gefahr, dass
unausgereifte Diagnostika vorschnell in die Praxis überführt würden.
Er warnte zudem vor zu großen Erwartungen. Bei der personalisierten
Medizin gehe es um Wahrscheinlichkeiten, nicht um Sicherheiten.

Sibylle Herbert kritisierte, dass zum einen von der
individualisierten Medizin die Rede sei, zum anderen dem Patienten in
der Praxis vermittelt werde, dass er als Individuum eine immer
geringere Rolle spielt; einerseits würden große Leistungsversprechen
gemacht, andererseits werde auf die begrenzten Ressourcen verwiesen.
Als besonders problematisch sah sie es an, dass Ärzte ihre Patienten
oft nach Nützlichkeitskriterien behandelten und die Entscheidung,
wann eine Therapie in den Leistungskatalog der Krankenkassen
aufgenommen wird, für Betroffene oft zu spät komme.

In der für das Publikum geöffneten Diskussion wurden insbesondere
Fragen nach neuen Herausforderungen für das Arzt-Patient-Verhältnis
aufgeworfen, wie der Schutz des Patienten durch eine umfassende und
allgemein verständliche Aufklärung und informierte Einwilligung
sichergestellt werden könne. Thematisiert wurde auch die
Missverständlichkeit der Begriffe der personalisierten oder
individualisierten Medizin. Dies zeige, so Regine Kollek in ihrem
Schlusswort, dass die Wissenschaft auch eine Verantwortung für die
Wahl ihrer Leitbilder trage, mit denen sie neue Entwicklungen
propagiere, und dass hinsichtlich des Anspruchs einer
Individualisierung mehr Zurückhaltung geboten sei.

Audiomitschnitte, Präsentationen der Referenten und
Simultanmitschrift sind in Kürze unter
http://www.ethikrat.org/de_veranstaltungen/fb_2009-06-24.php
abrufbar.

Originaltext: Deutscher Ethikrat
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/42978
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_42978.rss2

Pressekontakt:

Ulrike Florian
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Deutscher Ethikrat
Jägerstrasse 22/23
D-10117 Berlin

Tel: +49 +30 203 70-246
Fax: +49 +30 203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: http://www.ethikrat.org


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