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Börsen-Zeitung: Deckmantel Geldpolitik, Kommentar zur monatlichen Zinsentscheidung der EZB von Jürgen Schaaf

Geschrieben am 31-03-2009

Frankfurt (ots) - Wenn am morgigen Donnerstag der Präsident der
Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, die monatliche
Zinsentscheidung seines Hauses erläutert, dürfte er drei elementare
Dinge ansprechen: erstens dass die EZB den Leitzins erneut gesenkt
hat. Zweitens dass sie zudem erwägt, Schuldtitel privater Emittenten
zu kaufen, und drittens dass sie im Kampf gegen die Rezession den
Kauf von Staatsanleihen - vorerst - ausschließt. Diese Informationen
sind wichtig. Genauso wichtig wäre aber die Diskussion einiger
Punkte, die sicherlich nicht zur Sprache kommen. Aber dazu später.

Zinssenkung voraus

Erstens wird der 22-köpfige EZB-Rat ziemlich sicher erneut den
Leitzins senken. Zwar haben die Währungshüter den sogenannten
Hauptrefinanzierungssatz seit Oktober des vergangenen Jahres bereits
um satte 2,75 Prozentpunkte auf derzeit 1,5% gekappt. Aber selbst
diese umfangreiche Verbilligung der Bankenrefinanzierung reicht
offenbar noch nicht aus, um der moribunden Wirtschaft wieder Leben
einzuhauchen und den Absturz der Inflationsrate zu stoppen. Letztere
ist seit ihrem Hoch von 4,0% im Juli 2008 um sage und schreibe 3,4
Prozentpunkte auf 0,6% im März gefallen.

Legt man eine einfache Taylor-Regel,eine grobe Faustregel zur
Zinsbestimmung, zugrunde, müsste der EZB-Zins bereits im negativen
Terrain liegen. An dieser Front besteht also Handlungsbedarf. Zwei
Optionen sind konkret denkbar. Entweder wird der Leitzins um 50
Basispunkte auf 1,0% gesenkt, und der Einlagenzins, der normalerweise
100 Basispunkte unter dem Leitzins liegt, wird nicht ganz so stark
reduziert, sondern von derzeit 0,5% auf 0,25% abgesenkt. Oder die EZB
belässt den Korridor zwischen den beiden Zinssätzen und senkt den
Leitzins nur um 25 Basispunkte auf 1,25%, sodass der Einlagenzins
ebenfalls auf 0,25% sinken würde.

Effektiv machen die beiden Varianten keinen großen Unterschied.
Entscheidend ist, dass eine Absenkung des Einlagenzinses in dem
derzeitigen Umfeld den effektiven Tagesgeldsatz, den Euro Overnight
Index Average (Eonia) am Interbankenmarkt weiter drücken wird, dabei
aber positiv bleibt. Die Nullgrenze soll die Einlagenfazilität nicht
erreichen, da der Tagesgeldmarkt dann nicht mehr funktionieren würde.

Neben der Zinssenkung dürfte die EZB den Banken zukünftig
Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr
anbieten statt wie bisher mit maximal sechs Monaten. Das würde den
Banken Sicherheit bei ihrer Liquiditätsplanung geben.

Zweitens dürfte Trichet ankündigen, dass die EZB erwägt,
Schuldtitel privater Emittenten aufzukaufen, um die Kreditversorgung
der Wirtschaft über die Möglichkeiten der Zinspolitik hinaus zu
stimulieren. Unternehmensanleihen, Commercial Papers und
Bankschuldverschreibungen kommen in Frage. Der Vorsitzende der
US-Notenbank Federal Reserve, Ben Bernanke, nennt diese in den
Vereinigten Staaten bereits angewandte Strategie "credit easing".
Bisher akzeptiert die EZB solche Wertpapiere nur als Sicherheiten im
Rahmen ihrer Refinanzierungsgeschäfte mit den Banken. Durch den
effektiven Kauf bekommen die emittierenden Unternehmen und Banken
zwar Liquidität direkt von der Zentralbank, die derzeit im
Bankensektor zu versickern droht. Die EZB geht aber auch ein
erheblich höheres Verlustrisiko ein, wenn sie Eigentümerin dieser
Wertpapiere wird.

Drittens dürfte Trichet klarstellen, dass die EZB anders als die
Zentralbanken in den USA, Japan oder Großbritannien nicht mit dem
Gedanken spielt, Staatsanleihen aufzukaufen. Die Staatsfinanzierung
durch die Notenbank, die im Maastricht-Vertrag für den Primärmarkt
ausdrücklich verboten ist, dürfte auch in der indirekten Variante des
Kaufs von Staatsanleihen über den Sekundärmarkt vorerst nicht auf die
Agenda rücken, um gar nicht erst in den Verdacht der
Schuldenfinanzierung zu geraten.

Offene Fragen

So weit die Klarstellungen, die zu erwarten sind. Offen dürfte
dagegen bleiben, wie sich die EZB vorstellt, alle Unternehmen
chancengleich an ihrer Liquiditätsversorgung teilhaben zu lassen. Wie
gedenken die Währungshüter die Versorgung des Mittelstands mit
Krediten sicherzustellen, der keine Anleihen oder Commercial Papers
begibt? Auch das Auswahlverfahren der konkreten Unternehmen ist
nichts anderes als Industriepolitik unter dem Deckmantel der
Geldpolitik. Noch wichtiger: Wer trägt die Verluste, die
gegebenenfalls anfallen, wenn Emittenten ausfallen? Wie werden diese
aufgeteilt? Werden Absprachen mit den Finanzministern getroffen, von
denen die Öffentlichkeit überdies in Kenntnis gesetzt wird?
Es wäre nicht fair, die Währungshüter aufgrund dieser Problematik zu
verteufeln. Zu vertrackt ist die Lage, als dass auf alles eine
einfache Antwort zu geben wäre. Es ist dies nicht die Zeit der
Bedenkenträger. Aber neben aggressiven, unkonventionellen Maßnahmen
müssen Exit-Strategien für die Zeit nach der Krise aufgezeigt werden
und die Verantwortlichkeiten im Vorhinein sichtbar sein.

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Pressekontakt:
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Redaktion
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de
Telefon: 069--2732-0


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