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Börsen-Zeitung: Mit einem blauen Auge, Kommentar von Claus Döring zum Ende der Siemens-Korruptionsverfahren in Deutschland und in den USA

Geschrieben am 15-12-2008

Frankfurt (ots) - Die Erleichterung des
Siemens-Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme war mit Händen zu
greifen: Schneller als erwartet und mit geringeren Strafzahlungen als
befürchtet hat der Siemens-Konzern die Korruptionsverfahren gegen
sich in Deutschland und in den USA beenden können. Umgerechnet 1,2
Mrd. Euro wird Siemens am Ende an Geldbußen zahlen, je die Hälfte an
die deutschen und an die amerikanischen Behörden. Selbst in Zeiten,
in denen mit Milliardenbeträgen zur Rettung maroder Banken nur so
herumgeschmissen wird, sind diese Strafzahlungen ein dicker Brocken.
Die 800 Mill. Dollar Buße in den USA - 450 Mill. an das amerikanische
Justizministerium und 350 Mill. an die Börsenaufsicht SEC - sind der
mit Abstand höchste Betrag, den ein ausländisches Unternehmen jemals
im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen löhnen musste.

Und dennoch: Siemens ist mit einem blauen Auge davongekommen.
Gemessen am Horrorszenario, das sich noch vor Jahresfrist dem neu ins
Amt gekommenen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher darbot, kann sich
das Ergebnis der schonungslosen Aufarbeitung dieser Korruptionsaffäre
sehen lassen. Denn die gesamten Geldbußen in diesem Fall bleiben noch
unter dem Betrag der mehr als 4000 Schmiergeldzahlungen im Volumen
von 1,3 Mrd. Euro. Allein das amerikanische Justizministerium
verhängt üblicherweise Bußen in Höhe eines Mehrfachen der
Bestechungszahlungen. Die US-Behörde selbst weist darauf hin, dass
sie ebenso gut einige Milliarden Dollar Buße hätte verlangen können.

Mit ihrer Milde belohnen die US-Behörden die große
Kooperationsbereitschaft von Vorstand und Aufsichtsrat bei der
Aufklärung der Affäre - Kritiker dagegen sprechen auch von völliger
Unterwerfung der Siemens AG unter angelsächsische
Rechtsgepflogenheiten. Fakt ist, dass wie einst Heinrich IV. zur Burg
Canossa auch die Siemens-Verantwortlichen im Büßerhemd in die USA
reisen mussten. Allerdings war es nicht Heinrich v. Pierer, der für
Siemens den Gang nach Canossa respektive Washington antrat, sondern
seine Nachfolger an der Spitze von Vorstand und Aufsichtsrat, Peter
Löscher und Gerhard Cromme. Nur sie konnten glaubwürdig jenen
Neubeginn in der Führungskultur des Konzerns vertreten und ohne
Rücksicht auf alte Seilschaften die Aufklärung vorantreiben.

Dass in solchen Fällen mit grobem Besen gekehrt wird, lässt sich
kaum vermeiden. Wahrheit ist auch hier relativ und hängt im Fall der
Siemens-Korruptionsaffäre von der Rolle des Betrachters als Täter,
Mitwisser, Betroffener, Geschädigter oder Aufklärer ab. Aus der
Perspektive der Mitarbeiter wie auch der Aktionäre lässt sich positiv
feststellen, dass die Ermittlungen der Behörden, die den Konzern
laufend in den Schlagzeilen hielten, nach nur zwei Jahren zum
Abschluss gebracht wurden. Die Höhe der Strafzahlungen relativiert
sich angesichts des durch die Bestechungsgelder möglicherweise
hereingeholten Auftragsvolumens und des Geschäftsvolumens des
Konzerns insgesamt.

Entscheidend ist, dass schon das seit Oktober laufende neue
Geschäftsjahr von der Korruptionsaffäre nicht mehr nennenswert
belastet wird. Denn dank der guten Kooperation aller Beteiligten und
in Erwartung der Einigung hat Siemens ziemlich genau jenen Betrag von
rund 1 Mrd. Euro noch im alten Geschäftsjahr zurückgestellt, der nun
zur Zahlung fällig wird. Und eine weitere Hypothek bleibt Siemens
erspart: Der Schuldspruch in den USA lautet nicht auf Bestechung,
sondern Verletzung von Rechnungslegungs- und internen
Kontrollpflichten. Damit ist Siemens der drohende Ausschluss von
öffentlichen Aufträgen in den USA erspart geblieben. Für den weltweit
als Anbieter von Infrastruktur positionierten Siemens-Konzern kann
dies angesichts der drohenden Rezession und der enormen öffentlichen
Konjunkturprogramme nicht hoch genug bewertet werden.

Der Verdacht, die US-Behörden nutzten den Fall Siemens, um einem
unliebsamen Konkurrenten der heimischen Anbieter das Leben schwer zu
machen, hat sich nicht bestätigt. Auch die Ernennung des ehemaligen
Bundesfinanzministers Theo Waigel als Compliance-Aufseher räumt mit
dem Vorurteil auf, hier komme ein deutscher Konzern unter die Knute
der US-Administration. Fakt ist: Die Details, die von den deutschen
und amerikanischen Ermittlungsbehörden und den von Siemens
beauftragten Anwälten und Wirtschaftsprüfern zusammengetragen wurden,
sind erschreckend. Ohne im Einzelnen Schuld zuzumessen - das ist
Thema der Schadenersatzprozesse des Unternehmens gegen ehemalige
Vorstände -, bleibt festzuhalten, dass die Siemens-Führung insgesamt
versagt hat. Der Preis, den das Unternehmen dafür bezahlt hat, geht
weit über die jetzt fixierten Beträge hinaus. Doch man muss Gerhard
Cromme und Peter Löscher bescheinigen, aus der Not eine Tugend
gemacht und mit der Reorganisation der Unternehmensführung Maßstäbe
für die Compliance internationaler Konzerne gesetzt zu haben.

(Börsen-Zeitung, 16.12.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
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