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Börsen-Zeitung: Unter staatlicher Kuratel, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Inanspruchnahme staatlicher Hilfe durch Commerzbank, HSH Nordbank, WestLB & Co.

Geschrieben am 03-11-2008

Frankfurt (ots) - Nein, es ist keine Schande, wenn Commerzbank,
HSH Nordbank, WestLB & Co. jetzt implizit eingestehen müssen, dass
sie Hilfe vom Staat benötigen, um die globale Finanzkrise zu
überleben. So wenig, wie es eine Schande ist, dass die Deutsche Bank
glaubt und sogar stolz darauf ist, ohne Staatsknete über die Runden
zu kommen: Konzernchef Josef Ackermann lehnt es allen
Überredungsversuchen zum Trotz ab, sich die Hilfe ohne Not aufdrängen
zu lassen - und hat damit der Politik von links bis rechts wieder mal
eine willkommene Gelegenheit geboten, ihr Mütchen an der Nummer 1 des
Kreditgewerbes zu kühlen. Anscheinend wird heutzutage
parteiübergreifend erwartet, dass Manager, die ihr Unternehmen
halbwegs erfolgreich führen, dafür in Sack und Asche gehen und
freiwillig der Solidargemeinschaft der Bedürftigen beitreten.

Einige Wertberichtigungen sind vonnöten: nicht nur an den
Vermögenswerten der unter Kuratel des Finanzmarktstabilisierungsfonds
(Soffin) flüchtenden Institute, sondern auch an Diktion und Auftreten
mancher Akteure. Es erscheint doch arg euphemistisch, wenn etwa die
Commerzbank als ersten Grund für die Nutzung der staatlichen Hilfen
angibt, dadurch werde "Chancengleichheit mit internationalen
Wettbewerbern" hergestellt, oder wenn die HSH Nordbank an vorderster
Stelle darauf verweist, dass mit dem beantragten Garantierahmen von
bis zu 30 Mrd. Euro (in Worten: dreißig Milliarden!) die
Kreditversorgung der Wirtschaft gesichert würde. Alles nur der
reinste Altruismus? Es wirkte glaubwürdiger, gäbe zur Abwechslung mal
eine Bank schlicht und ergreifend zu, dass es ihr aufgrund früherer
Fehlentscheidungen miserabel geht und sie aus eigener Kraft nicht auf
die Beine kommt.

Nicht nur das Publikum muss sich ja daran gewöhnen, dass heute
Dinge passieren, die noch gestern außerhalb des Vorstellungsvermögens
lagen. Das darf man in gewissen Grenzen auch Bankern zugestehen. Aber
etwas mehr Demut und Selbstkritik sollten dann auch erwartet werden
können, will die Finanzgemeinde nicht riskieren, dass sich das an den
Stammtischen verbreitete Vorurteil vom "hohen Ross" in der
Bevölkerung verfestigt. Noch im Februar dieses Jahres hatte
beispielsweise Klaus-Peter Müller, damals Vorstandssprecher, seit Mai
Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, eine teure
Kapitalzuführung durch asiatische oder nahöstliche Staatsfonds für
sein Haus "verbindlich" ausgeschlossen. Wenn überhaupt, kämen
Eigenmittelaufstockungen nur als normale Investments in Frage, nicht
aber in Form von "Maria-Hilf-Aktionen". Und nun, Herr Müller? Man
könnte vielen Bankern ähnliche, die Realität verdrängende Äußerungen
aus jüngerer Vergangenheit vorhalten.

Die Realität verdrängt hat nicht nur die Commerzbank, sondern der
überwiegende Teil der Branche auf fatale Weise zuletzt vor allem
insofern, als der Kollaps einer Bank der Dimension und Verflechtung
von Lehman Brothers schlechthin für undenkbar gehalten wurde -
Commerzbank-Chef Martin Blessing gestand diese Fehleinschätzung am
Montag freimütig ein. Die Frage drängt sich auf, wie es - auch mit
Blick auf das deutlich übertriebene Island-Exposure deutscher Banken
- zu einem solchen kollektiven Blackout der kaufmännischen Vorsicht
kommen konnte.

Was die konkreten Modalitäten der Hilfe angeht, hat die
Commerzbank, die als erste deutsche Bank überhaupt unter dem
öffentlichen Rettungsschirm eine Rekapitalisierung erhält, für sich
und - trotz der Kosten der Stützung und des (mindestens) zweijährigen
Dividendenausfalls - auch für die Aktionäre verkraftbar erscheinende
Bedingungen herausgeholt. Ob der deutsche Staatsfonds hier einen
First-Mover-Bonus gewährt hat? Die ganze Aktion läuft, zumal gemessen
an ausländischen Exempeln, sehr smart ab. Die Zufuhr von 8,2 Mrd.
Euro - nicht kleckern, sondern klotzen! - erfolgt eigentümerschonend
im Wege der früher besonders bei den Landesbanken beliebten stillen
Einlage. Die gelbe Bank wird Blessing zufolge "auch künftig allein
verantwortlich von ihrem Vorstand geführt", die Entsendung von
Soffin-Vertretern in den Aufsichtsrat sei kein Thema gewesen und auch
der fast 10 Mrd. Euro schwere Kauf der Dresdner Bank bleibt frei von
Auflagen. Der Eindruck des Steuerzahlers, er dürfe diesen Mega-Deal
auch zugunsten des Verkäufers Allianz mindestens vorfinanzieren, wird
schwer zu entkräften sein.

Die Aufgeregtheiten und Schuldzuweisungen in der Frage, ob
überhaupt und von welchen Banken das Rettungspaket angenommen wird,
ob dies im Gegensatz zum Vorgehen in anderen großen Industrieländern
auf freiwilliger Basis geschieht oder auch hierzulande eine
Zwangsbeglückung geboten ist - all das hätte man sich schenken
können. Wer es nötig hat, das zeigte sich spätestens zum
Wochenanfang, nimmt die Leistungen in Anspruch, wer es nicht nötig
hat, der lässt es. Commerzbank und HSH Nordbank hatten es, wie die
teilweise katastrophalen Zahlen des dritten Quartals belegen, bitter
nötig. Jetzt geht es ihnen, ihren Eigentümern und ihren Kunden und
damit absehbar auch dem Finanzmarkt besser. Nicht weniger, aber auch
nicht mehr. Das Ende der Krise ist das noch lange nicht.

(Börsen-Zeitung, 4.11.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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