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"Banken sind keine Wettbüros" / Andrea Hessler, Chefredakteurin des ZertifikatePort-Newsletters, über unqualifizierte Kritik an der Anlagegattung Zertifikat

Geschrieben am 16-10-2008

Hamburg (ots) - Die Finanzkrise hat in den vergangenen beiden
Tagen eine Verschnaufpause eingelegt. Alle wichtigen Indizes weltweit
sind gestiegen. Handelt es sich dabei nur um ein Strohfeuer oder eine
dauerhafte Erholung?

Hessler: In Deutschland haben die Wirtschaftsforschungsinstitute
gestern keine berauschenden Konjunktur-Prognosen verkündet. In den
USA konnte der Dow Jones seine grandiose Rally vom Montag nicht
fortsetzen. Es sieht so aus, als würden die Bären wieder die Oberhand
gewinnen. Profis und Privatanleger sind einfach verunsichert, da
können die Kurse noch eine Weile rauf und runter gehen.

Jetzt wird in vielen Medien so getan, als wären Zertifikate schuld
an der Bankenkrise. Was ist da dran?

Hessler: Da ist gar nichts dran. Zertifikate sind Wertpapiere, bei
denen Banken stets eine neutrale Position einnehmen. Sie verdienen an
der Vermittlung von Geschäften, die Anleger am Markt machen, und sind
- im Gegensatz zum Kreditgeschäft - gar nicht mit eigenem Geld
involviert. Es hieß ja auch zumindest anfangs Kreditkrise. Und nicht
Zertifikatekrise. Irgendwie scheint das in Vergessenheit geraten zu
sein.

Wie konnte der falsche Eindruck entstehen?

Hessler: Es war unglücklich, dass Bear Stearns und Lehman Brothers
Bankrott gingen, keine Frage. Aber im Vergleich zur Gesamtmenge der
am Markt befindlichen Zertifikate sind die Ausfälle dieser beiden
Emittenten verschwindend gering, und der Schaden ist mit Sicherheit
kleiner als jener, der Jahr für Jahr durch andere Pleiten entsteht.
Wenn Sie einem Bauunternehmer Geld geben, und der geht Bankrott, ist
es auch dahin. Auch mit vermeintlich sicheren Anleihen haben Anleger
schon viel Geld verloren. Denken Sie nur an den Neuen Markt. Aber ist
ein böses Gerücht mal in der Welt, wird es gerne von Leuten
kolportiert, die auch mal wieder etwas Wichtiges sagen wollen. Wie
bei den Diskussionsrunden im Fernsehen. Die sind ja meist nicht durch
Fachkenntnis getrübt. Besonders ärgerlich ist, wenn Ex-Banker, deren
Institut in ihrer aktiven Zeit die Assetklasse Zertifikate eingeführt
hat, dann dort sitzen und diese plötzlich als Teufelswerk
diskriminieren. Aber unqualifizierte Kritik ist heute ja üblich. Das
trifft nicht nur Zertifikate. Ich habe schon Sendungen gesehen, da
wurde über Schönheitsoperationen schwadroniert, und es war kein
einziger Facharzt für ästhetisch-plastische Chirurgie dabei.

Der entscheidende Vorteil von Zertifikaten gegenüber anderen
Anlagemöglichkeiten ist ja, dass man auch auf sinkende Kurse setzen
kann. Anleger konnten in den vergangenen Wochen mit derartigen
Short-Zertifikaten hohe Gewinne machen. Jetzt haben sich Anleger
beschwert, dass Emittenten diese Short-Zertifikate gekündigt haben,
als deren Kurs besonders schlecht war. Diese Anleger fühlen sich
übervorteilt. Zu Recht?

Hessler: Nein. Leider haben Short-Zertifikate eine symptomatische
Eigenschaft, die in bestimmten, sehr seltenen Fällen eine andere
Reaktion als die Kündigung gar nicht zulässt. Wenn ein Anleger auf
sinkende Kurse setzt - das Wort Wette wollen ja weder die Anleger
noch die Emittenten gerne hören - dann muss die Bank sich absichern
für den Fall, dass der Kurs des Basiswerts - also der entsprechenden
Aktie - stark sinkt und damit der Kurs des Zertifikats steigt. Die
Bank selbst wettet nicht gegen Anleger; das Gegenteil wird zwar wie
ein Mantra immer wiederholt, davon wird die Aussage aber nicht
richtiger. Banken sind weder Buchmacher noch Wettbüros.

Aber wenn doch immer von Wette die Rede ist - wer wettet denn
eigentlich gegen wen?

Hessler: Anleger wetten mit Zertifikaten gegen den Markt. Die
Emittenten als Vermittler müssen sich absichern für den Fall, dass
ihre Kunden gewinnen. Bei Wetten auf fallende Kurse mit
Short-Zertifikaten funktioniert die Absicherung folgendermaßen: Die
Bank leiht sich Aktien. Dafür zahlt sie dem Verleiher eine Gebühr.
Das ist zugegebenermaßen eine abstrakte Vorstellung, dass Wertpapiere
geliehen und verliehen werden. Man sagt ja auch nicht zu einem
Freund, "ich leih dir eben mal meine Aktie" statt "ich pump dir 100
Euro". Aber hier hat das alles einen engen Zusammenhang und eine
konkrete Aufgabe. Die Emittenten verkaufen die geliehenen Aktien zum
aktuellen Kurs. Sinkt der Kurs der Aktie, kann der Emittent sie zu
dem jetzt günstigeren Kurs zurückkaufen. Dies macht er normalerweise,
sobald der Anleger sein Short-Zertifikat mit Gewinn verkauft und sein
investiertes Geld samt Gewinn haben will. Mit der Differenz zwischen
Verkaufs- und Kaufpreis der Aktie wird der Gewinn des
Zertifikateanlegers finanziert. Die Bank selbst hat also eine
neutrale Position. Sie gewinnt weder an steigenden noch an fallenden
Zertifikatekursen.

Was war denn die Besonderheit bei den gekündigten Zertifikaten?

Hessler: Das alles funktioniert nur, wenn der Emittent sich
tatsächlich Aktien leihen kann. Manchmal gibt es von dem Basiswert
eines Zertifikats aber keine Papiere auf dem Markt, zum Beispiel weil
alle von einem anderen Investor weggeschnappt wurden und andere
Leiher schneller waren. Das kann passieren, wenn wie bei Porsche und
VW ein Unternehmen seine Beteiligung an einem anderen Unternehmen
aufstocken will und der Kurs der Aktie stark steigt. Dann steht ein
Emittent unter Umständen vor einem Problem, weil er seine
Absicherungsaktien nicht mehr leihen kann. Da er sich aber absichern
muss, um seine neutrale Position zu gewährleisten, bleibt ihm nichts
anderes übrig, als das Zertifikat zu kündigen.

Warum waren die Anleger von der Kündigung so überrascht?

Hessler: Die Kündigungsmöglichkeit und ihre Voraussetzungen werden
in den Info-Unterlagen der Emittenten beschrieben. Aber wie das so
ist: Man liest sich eben in der Anfangseuphorie einer vertraglichen
Beziehung nicht immer alles genau durch. Das gilt für Zertifikate wie
für Ratenkäufe oder Eheverträge.

Das Interview führte Jörg Zimmermann, Redakteur beim Deutschen
Informations-Service DIS.

Originaltext: DIS - Deutscher Informations-Service
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/73078
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_73078.rss2

Pressekontakt:
Deutscher Informations-Service DIS
Redaktionswerft GmbH
Jörg Zimmermann
Telefon: 040 / 46 88 32 -31
E-Mail: redaktion@deutscher-informationsservice.de
Web: http://www.deutscher-informationsservice.de


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