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"Panorama": Krankenkassen sortieren Kundendaten - welcher Patient ist profitabel? Experten kritisieren "perverses System"

Geschrieben am 07-08-2008

Hamburg (ots) - "Nur ein kranker Versicherter ist im neuen System
ein guter Versicherter", sagt Dr. Christoph Straub von der Techniker
Krankenkasse im Interview mit dem ARD-Magazin "Panorama". Auch seinem
Kollegen von der Audi Betriebskrankenkasse, Uwe Seybold, widerstrebt,
was nach der Gesundheitsreform Wirklichkeit werden soll: "Als Mensch
finde ich das System pervers. Die Anreize sind völlig falsch.
Wirtschaftliches Ziel ist es, den Kunden krank zu behalten." Das hat
laut Dr. Hans Unterhuber von der Siemens-Betriebskrankenkasse massive
Auswirkungen nicht nur auf die Behandlung von Krankheiten, sondern
auch auf Vorsorge- und Gesundheitsförderprogramm: Es sei fraglich, ob
diese in Zukunft betriebswirtschaftlich noch zu verantworten seien.

Hintergrund dieser Befürchtungen ist ein neues Abrechnungssystem
für die Kassen, das mit der neuen Gesundheitsreform am 1. Januar 2009
eingeführt wird. Die Beiträge der gesetzlich Versicherten gehen dann
nicht mehr direkt an die Kassen, sondern an den neu einzurichtenden
Gesundheitsfonds. Dieser verteilt nur einen Teil davon automatisch an
die Krankenkassen, der Rest wird nach den Regeln des so genannten
"morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs" (Morbi-RSA)
vergeben.
Dafür müssen die Kassen Versicherte mit bestimmten Krankheiten
nachweisen. Auf einer Liste sind 80 Krankheitsgruppen festgelegt, die
zur Inanspruchnahme des Morbi-RSA berechtigen.

Schon heute werden deshalb nach "Panorama"-Recherchen (Sendung:
Donnerstag, 7. August, 21.45 Uhr im Ersten) in den Kassen riesige
Datensammlungen angelegt mit dem Ziel, möglichst viele
Krankheitsanzeichen der einzelnen Versicherten aufzuspüren und damit
Morbi-RSA-fähige Krankheiten gegenüber dem Gesundheitsfonds
nachzuweisen. "So werden Millionen von Versichertendaten - auch von
uns, das gebe ich ehrlich zu - durchanalysiert. Es wird geguckt,
könnte er [der Patient] einen Zuschlag bekommen, wenn man an kleinen
Schrauben dreht", sagt Prof. Jörg Saatkamp, Vorsitzender des
Bayerischen Landesverbandes der Betriebskrankenkassen.

Besonders kritisch sehen die Chefs der Krankenkassen, dass auch
für Wohlstandskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes Geld aus dem
Fonds ausgeschüttet wird. Denn gerade diese Krankheiten ließen sich
gut präventiv behandeln und durch Gesundheitsförderprogramme lindern.
Die Fehlanreize könnten nun dazu führen, dass es sehr viel mehr
Diabetes- und Bluthochdruck-Patienten geben wird. "Die Ärzte werden
in Zukunft Checklisten haben an Diagnosen, die man leicht bei vielen
finden kann, die aus dem Morbi-RSA Geld generieren. Da wird in jeder
Arztpraxis gescannt werden. Das ist aus meiner Sicht pervers", so
Prof. Jörg Saatkamp.

Das Gesundheitsministerium hat das Bundesversicherungsamt mit der
Ausführung des neuen Abrechnungssystems beauftragt. Der Präsident der
Behörde, Josef Hecken, hält die Vorwürfe der Krankenkassen-Chefs für
übertrieben. Er gehe nicht davon aus, "dass das, was theoretisch an
der einen oder anderen Stelle für den einen oder anderen im
Einzelfall reizvoll erscheinen würde, zu einem Massenphänomen wird".
Die Kassen würden das finanzielle Risiko einer Umsteuerung
wahrscheinlich nicht eingehen, weil sie bei den Zahlungen in
Vorleistung gehen müssen, so Josef Hecken.

7. August 2008

Originaltext: NDR Norddeutscher Rundfunk
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6561
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6561.rss2

Pressekontakt:
NDR Norddeutscher Rundfunk
NDR Presse und Information
Telefon: 040 / 4156 - 2300
Fax: 040 / 4156 - 2199


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