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Zwischen Public Value und Shareholder Value - Ministerpräsident Rüttgers fordert Online-Selbstverpflichtung von ARD und ZDF

Geschrieben am 09-06-2008

Köln (ots) - Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Dr.
Jürgen Rüttgers hat sich in seiner medienpolitischen Grundsatzrede
zum Auftakt des 20. medienforum.nrw für eine Selbstverpflichtung der
öffentlich-rechtlichen Anbieter ausgesprochen, die vor allem das
Online-Engagement von ARD und ZDF beschränken soll. Grundsätzlich
müssten sie aber ihren Auftrag auch im Internet erfüllen können,
sagte Rüttgers drei Tage vor der Ministerpräsidenten-Konferenz, in
der über den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag beraten werden soll.
Ein breiteres Online-Angebot dürfe aber weder zu einem höheren
Gebührenbedarf noch zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten
privatwirtschaftlicher Anbieter führen. Deshalb sollten ARD und ZDF
in Zukunft auch nur noch sendungsbezogene Inhalte im Internet
anbieten dürfen. Rüttgers betonte, es gehe bei der Debatte mit seinen
Kollegen am Donnerstag nicht darum, um jeden Preis eine Einigung zu
erzielen. Notfalls müssten die Beratungen über die Novellierung des
Rundfunkstaatsvertrages zu einem späteren Zeitpunkt weitergeführt
werden. Ein "Koste es, was es wolle" sei angesichts der wichtigen
Balance von öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Medien
einfach zu teuer.

Wer Spielregeln wolle, um das Kulturgut Rundfunk zu schützen,
sagte Rüttgers an die Adresse öffentlich-rechtlicher Programmmacher,
der dürfe Qualität nicht in Spartenprogramme oder "in irgendwelche
Nischen nachts um 2.30 Uhr" verbannen. Vielmehr gehöre auch
Qualitätsfernsehen in die Hauptprogramme von ARD und ZDF. Ähnlich
deutlich äußerte sich der Ministerpräsident zur Kritik der
EU-Kommission am deutschen Rundfunksystem: "Die EU-Kommission muss
damit aufhören, die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in
Deutschland in Frage zu stellen." Auch eine Versteigerung von
Rundfunkfrequenzen komme nicht in Frage, wiederholte Rüttgers eine
Position, die seine Landesregierung bereits in den vergangenen beiden
Jahren beim medienforum.nrw mehrfach unterstrichen hatte.

"Die Zukunft gehört mehr denn je der Kooperation", skizzierte
Rüttgers seine Vision für das Zeitalter der Medienkonvergenz. Um
Innovationen zu fördern, werde Nordrhein-Westfalen Fördergelder
künftig im Rahmen von Wettbewerben des neuen Clusters "Medien.NRW"
zur Verfügung stellen. Die Gewinner würden von einer Experten-Jury
ermittelt und mit einem insgesamt zweistelligen Millionen-Euro-Betrag
gefördert.

Um den Wettbewerb zu stimulieren, so kündigte der
Ministerpräsident an, werde das nordrhein-westfälische
Landesmediengesetz "in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode" so
geändert, dass Zeitungshäuser in der digitalen Zukunft einen besseren
Zutritt zum Markt für Lokalfunk und Lokalfernsehen erhielten. Als
weitere Maßnahmen der Medienförderung in Nordrhein-Westfalen
erläuterte Rüttgers drei neue Finanzierungsinstrumente der NRW Bank.
Filmemacher könnten dabei Garantien für ihre Hausbanken,
Zwischenkredite und so genannte Gap-Finanzierungen erhalten.
Insgesamt würden so zusätzlich zur NRW-Filmförderung mehr als zehn
Millionen Euro zur Verfügung gestellt, von denen ein Teil bereits
ausgegeben worden sei.

Hatte Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma in seiner
Begrüßungsrede noch die dynamische Medienentwicklung und ihre
positiven Effekten für den Standort Köln gelobt, analysierte Prof.
Dr. Norbert Schneider, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW
(LfM), in seiner Einführung zum Thema "Vom Wert des Medien" das
Spannungsfeld von kulturellen und ökonomischen Medienwerten:
Komplexität und Übermaß erschwerten die Orientierung, die
Kommerzialisierung werde zum Problem. "Was viele Menschen als Mangel
an Inhalt empfinden, ist tatsächlich ein Mangel an
Übersichtlichkeit", sagte Schneider und warnte: "Wenn Fernsehen zu
wenig oder gar keinen Public Value mehr bringt, gibt es auf Dauer
auch keinen Share-holder Value."

Public Value, Allianzen oder Konflikte zwischen
öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Anbietern sowie das
Ringen um Regelungen für den neuen Rundfunkstaatsvertrag standen auch
im Zentrum der ersten großen Highlight-Diskussionsrunde des 20.
medienforum.nrw. In einer äußerst lebhaften Debatte hatte Moderatorin
Sandra Maischberger wenig Mühe, Spitzenvertretern der deutschen
Medienbranche kontroverse Positionen zu entlocken.
RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt und VPRT-Präsident Dr. Jürgen
Doetz kritisierten, öffentlich-rechtliche Anbieter würden im Internet
mit Gebührenunterstützung den Wettbewerb behindern. Die von der
CDU-Landesregierung begleitete Zusammenarbeit von WDR und WAZ-Gruppe
im Internet bezeichnete Schäferkordt als "politischen Ablasshandel".
Doetz kündigte an, der VPRT werde gegen die Kooperation eine
Rechtsaufsichtsbeschwerde einlegen.

Ab Mitte Juni, so erklärte WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz, werde
das WAZ-Internetportal Der Westen täglich bis zu neun bereits
gesendete WDR-Fernsehbeiträge übernehmen. WDR-Intendantin Monika Piel
bezeichnete dies als "ganz normales Verwertungsgeschäft". Zurzeit
würde mit fünf weiteren NRW-Zeitungsverlagen über ähnliche Verträge
verhandelt.

In der Debatte um das Online-Engagement von ARD und ZDF betonten
Monika Piel und ZDF-Intendant Prof. Markus Schächter die
Bereitschaft, die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
einzuschränken. Im aktuellen Referentenentwurf zum 12.
Rundfunkänderungsstaatsvertrag sieht Schächter allerdings eine
"Übererfüllung" der von der EU-Kommission im Beihilfe-Verfahren
aufgestellten Forderungen. So sei weder eine Löschung von
Mediathek-Inhalten nach sieben Tagen, noch der Sendungsbezug von
Online-Inhalten oder die Ausklammerung der Bereiche Sport und
Unterhaltung von der EU-Kommission gewollt. Auch die Regelung, dass
Online-Spielangebote für Kinder erlaubt, aber für die Zielgruppe der
Erwachsenen verboten werden solle, mache keinen Sinn.

VPRT-Präsident Doetz warnte, die Mediatheken von ARD und ZDF
würden auf Dauer hohe Kosten verursachen und zu weiteren
Gebührenerhöhungen führen. So rechne er allein für die ZDF-Mediathek
mit bis zu 300 Millionen Euro Kosten für Technik und Distribution.
ZDF-Intendant Schächter erwiderte, Rechte- und Technikkosten würden
sich beim ZDF jährlich nur auf insgesamt 3,9 Millionen Euro belaufen.
WDR-Intendantin Piel wies darauf hin, die Distributionskosten im
Internet seien in den vergangenen Jahren deutlich gesunken.

RTL-Geschäftsführerin Schäferkordt rechnete vor, dass ARD und ZDF,
sollten ihre Beiträge zeitlich unbegrenzt im Internet abgelegt werden
dürfen, eine Online-Library aufbauen könnten, die täglich um 450
Programmstunden wachse. Angesichts einer solchen
"Wettbewerbsverzerrung" hätten kleinere private Anbieter kaum eine
Chance, sich zu behaupten. Noch weise das Internet eine große
Vielfalt vor, bei der keinerlei Marktversagen festzustellen sei.
Durch das öffentlich-rechtliche Online-Engagement aber drohe ein
Verdrängungswettbewerb. WDR-Intendantin Piel mochte diese Ansicht
nicht teilen. Sie empfahl angesichts der Marktmacht global
operierender Online-Konzerne wie Microsoft und Google eine
Kooperation öffentlich-rechtlicher und privatwirtschaftlicher
Akteure. Um eine zu starke gebührenfinanzierte Stellung von ARD und
ZDF zu vermeiden, könne sie sich vorstellen, entweder deren
Online-Etats auch weiterhin zu begrenzen oder aber die Rundfunkgebühr
dauerhaft an einen Index zu koppeln, der die Preissteigerung in der
Medienbranche widerspiegele.

Kostenargumente prägten auch die meisten Diskussionsbeiträge
weiterer prominenter Experten beim Eröffnungspanel des 20.
medienforum.nrw. So forderte Telekom-Vorstandschef René Obermann,
durch die Digitalsierung frei werdende Rundfunkfrequenzen sollten als
kostengünstige Netz-Alternative für funkgestützte breitbandige
Online-Zugänge zur Verfügung gestellt werden.

Ferdinand Kayser, Präsident von SES Astra, erklärte, das Angebot
digitaler Märkte würde sich weiter fragmentieren, der Werbemarkt
stoße an seine Grenzen, und es fehlten Impulse, um die
Digitalisierung der Fernsehhaushalte zu forcieren. Parm Sandhu,
Geschäftsführer vom Kabelnetzanbieter UnityMedia, stimmte Kayser zu
und forderte Deregulierungen, um den privaten Sektor zu Investitionen
zu ermutigen.

Von solch ökonomischen Betrachtungen allein aber, so zeigte die
Diskussion, kann der Wert der Medien nicht erfasst werden. "Die
Tendenz, im Zweifel alles unter die Logik der Ökonomie zu zwingen,
wird nämlich begleitet von Verlusten an Publizistik, wird bezahlt von
der Kultur, vom Mangel an Public Value", hatte LfM-Direktor Schneider
in seiner Einführung gemahnt.

Originaltext: medienforum nrw
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/17162
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_17162.rss2

Pressekontakt:
LfM Nova GmbH
Pressesprecherin: Susanne Land
email: sland@lfm-nova.de
Tel. 0211 - 77 00 7- 118


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