(Registrieren)

WAZ: Sterben im Museum - Der öffentliche Tod und die Kunst - Leitartikel von Gudrun Norbisrath

Geschrieben am 21-04-2008

Essen (ots) - Es ist nicht immer leicht zu verstehen, was Kunst
will. Manchmal tut Kunst weh, und muss wehtun.

Ein Künstler will einem Menschen beim Sterben zusehen lassen. Der
Künstler wird als zurückhaltend, wenn auch ein bisschen düster
beschrieben; keiner, der die platte Sensation sucht. Seine
Provokation soll darin liegen, dass er andere dazu bringt, über das
Sterben nachzudenken. Sagt er. Seine Idee kommt aber ganz anders an,
und das hat seinen Grund.

Wir verdrängen das Sterben nicht nur, weil wir gerade keine Lust
haben, uns damit auseinanderzusetzen, sondern vor allem, weil dem Tod
realer Schrecken innewohnt. Dass Tod schön sein könne, edel, rein -
es ist eine süßliche Lüge. Der Tod ist das Ende und auch für Christen
ein Schritt über die Grenze des Erfahrbaren. Das macht Angst. Selbst,
wenn alle Krankenhäuser licht und hell und alle Pfleger liebevoll und
warm wären, verlöre der Tod nicht seinen Schrecken, er würde nur
gemildert. Das ist das eine.

Das andere: Es ist nicht alles Kunst, was sich so gebärdet. Es
ist kein Sakrileg zu fragen, ob Aktionen mit blutigen Schweinehälften
Kunst sind; es ist erlaubt und muss erlaubt bleiben zu fragen, ob
Jeff Koons öffentlicher Geschlechtsakt Kunst ist oder das Urinal von
Marcel Duchamp. Wer solche Fragen als quasi blasphemisch abwehrt,
schadet der Kunst: Denn nur, wer fragt, kann Sinn entdecken.
Pauschale Antworten gibt es nicht, was man daran sieht, dass nicht
jedes Urinal eine Skulptur ist.

Bei Gregor Schneiders Plan, Sterben öffentlich zu inszenieren,
stellt sich die Frage aber gar nicht. Jedem, der es möchte, wird es
ein Leichtes sein, ein Kamerateam an sein Sterbebett zu holen; die
Sender wären leider begeistert. Der Künstler, der glaubt, es gehe um
Schönheit und Würde des Sterbens, verfällt in Wirklichkeit den
Mechanismen einer zutiefst voyeuristischen Gesellschaft. Er wird das
nicht wollen, aber das macht die Sache nicht besser.

Wie kann es dazu kommen? Braucht Kunst in einer medial
abgestumpften Welt absurde Übertretungen? Hat sie sich so weit
erschöpft, dass nur noch Schockierendes wirkt? Die Antwort ist
einfach. Nein. Kunst hat sich zu allen Zeiten mit dem Tod befasst,
und drastisch genug. Sterben real abzubilden und öffentlich zur Schau
zu stellen, ist weltfremd und Menschen verachtend. Das ist schlecht,
sehr schlecht für die Kunst. Sie könnte an Boden verlieren, den sie
dringend braucht.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

132297

weitere Artikel:
  • Kunstpreis "Leonardo": Nachwuchskünstler zeichnen düsteres Bild von Amerika / Ignaz Walter verleiht hoch dotierten Kunstpreis - Jetzt steht die Shortlist Augsburg (ots) - Einer der höchst dotierten Preise für Nachwuchskünstler in Europa wird in Kürze verliehen: der internationale Kunstpreis "Leonardo". Neben der Preisfigur, dem "Leonardo", erhalten die drei erfolgreichsten Künstler Geldpreise im Wert von 30.000 Euro, 15.000 Euro und 5.000 Euro. Motto des Wettbewerbs: "Gutes Amerika - böses Amerika". "Preisgeld und Thema des Nachwuchswettbewerbs - die Sicht auf Amerika - haben unerwartet viele Künstler aus ganz Europa gereizt", sagt der Augsburger Sammler Prof. Dr. h. c. Ignaz Walter, mehr...

  • Welttag des Buches: Aufruf zu einer Bibliothek der Sprachpflege Erlangen (ots) - Anläßlich des morgigen Welttags des Buches ruft die DEUTSCHE SPRACHWELT dazu auf, mit Bücherspenden den Aufbau einer Bibliothek zur Pflege der deutschen Sprache zu unterstützen. Die Bücherei ist Bestandteil des "Hauses der deutschen Sprache", das die Neue Fruchtbringende Gesellschaft in Köthen/Anhalt einrichten will, und soll sowohl Werke in gutem Deutsch als auch Schriften für gutes Deutsch enthalten, also die wesentliche Literatur zur Sprachpflege. Das Haus der deutschen Sprache in Köthen ist Teil eines Konzeptes, mehr...

  • Nicolas Sarkozy übernimmt Schirmherrschaft für Ausstellung / Picasso-Museum bestätigt Engagement des französischen Präsidenten Münster (ots) - Der Präsident der Republik Frankreich, Nicolas Sarkozy, übernimmt die Schirmherrschaft der Ausstellung "Maeght: Das Abenteuer der Moderne", die im Sommer im Graphikmuseum Pablo Picasso Münster zu sehen sein wird. Mit der Übernahme der Schirmherrschaft bezeugt Nicholas Sarkozy sein Engagement für die Kultur und die Kunst der Moderne, wie der Élysée Palast gegenüber dem Münsteraner Graphikmuseum bestätigte. Die Ausstellung "Maeght: Das Abenteuer der Moderne" läuft vom 1. August bis 2. November 2008 und präsentiert insgesamt mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Welttag des Buches Bielefeld (ots) - Nur Wasser, Hopfen, Malz und Hefe - daraus soll es sein, das deutsche Bier, und weil der Bayernherzog Heinrich IV. das vor 492 Jahren genauso sah, feiern wir heute den Tag des deutschen Biers. Weil aber der Welttag des Buches auf dasselbe Datum fällt, muss man auf die Reihenfolge achten - sonst kommt der Vollrausch vor der Lektüre und verhindert diese. Die stellvertretende Vorsitzende des Börsenvereins des deutschen Buchhandels hat offensichtlich zuerst getrunken. Anders ist Viola Taubes Vorschlag, in der Schule sollte mehr...

  • Das einzige Festival der klassischen Musik auf hoher See: MS EUROPA präsentiert das "Ocean Sun Festival" Hamburg (ots) - - Querverweis: Bildmaterial wird über obs versandt und ist abrufbar unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs - Namhafte Klassikkünstler und Preisträger internationaler Musikwettbewerbe machen jede der acht MS EUROPA-Musikreisen im Jahr 2008 zum Konzerterlebnis im intimen Rahmen. Im neuen Themenprospekt "Musikreisen 2008" präsentiert Hapag-Lloyd Kreuzfahrten zudem mit dem Ocean Sun Festival das einzige jährlich stattfindende Festivalformat der klassischen Musik auf hoher See. In Zusammenarbeit mit mehr...

Mehr zu dem Thema Alles rund um die Kultur

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

Pinocchio erreicht Gold in Deutschland mit Top-3-Hit "Klick Klack" - "Mein Album!" erscheint am heutigen Tag - Neue Single "Pinocchio in Moskau (Kalinka)" folgt am 17. März

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht