LVZ: Leipziger Volkszeitung zu DFB-Bundestag

Leipzig (ots) - In der Mainzer Rheingoldhalle wird alle Jahre
wieder geschunkelt und furchtbar witzigen Vorträgen gelauscht. Beim
DFB-Bundestag in der Fastnachts-Kultstätte wird man sich nicht nur in
den Armen liegen - aber auch. BüttenrednerTheo Zwanziger,
instinktsicherer Präsident des XXL-Verbandes, wird heute die
Vertragsverlängerung mit Bundestrainer JoachimLöw gebührend feiern,
den Applaus der 250 Delegierten aufsaugen. Natürlich werden die
dynamischen Oliver Bierhoff (DFB-Teammanager) und Matthias Sammer
(Sportdirektor) ins hornalte Präsidium berufen, wird der von
Zwanziger "entsorgte" Gerhard Mayer-Vorfelder zum Ehrenmitglied mit
Kicker-Abo, beerbt Wolfgang Niersbach den DFB-General Horst R.
Schmidt mit Volkskammer-verdächtigem Votum.
Nach der netten Pflicht kommt die schwierigere Kür. Die beschäftigt
sich unter anderem mit dem Innenverhältnis zwischen DFB und der
Vertretung der Profiklubs, der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Die DFL
will tiefer in den Einnahmentopf der Nationalmannschaft greifen,
Zwanziger empfiehlt der nach Zusatzeinnahmen gierenden Liga eine
Neubegutachtung der "50 plus 1"-Frage. Bedeutet: Öffnung gegenüber
Investoren, die analog zu Chelsea und Abramowitsch die Mehrheit an
sich reißen können. Wobei man in Sachen "50 plus 1" nicht in die
Ferne schweifen muss. In Wolfsburg und Leverkusen haben VW und Bayer
längst das Sagen. In der Mainzer Bütt würde man an dieser Stelle
fragen: "Wolle mer se roi lasse, die Abramowitschs?"
Der DFB sitzt bei diesem zentralen Thema nur am Katzentisch, kann
lediglich Empfehlungen aussprechen. Der Leidensdruck auf die DFL
wächst mit jedem Ausscheiden aus Champions League und Uefa-Cup, der
Ruf nach Wettbewerbsfähigkeit wird lauter. Selbst derFC Bayern
München stößt international an Grenzen, fordert Aufweichung der
Investoren-Doktrin, fordert auch eine andere Verteilung der
TV-Gelder, die bisher im Gießkannenprinzip ausgeschüttet werden. In
anderen europäischen Ligen kriegen die größten Klubs das größte Stück
vom Kuchen ab.
Bei den TV-Einnahmen kommt Leo Kirch ins Spiel. Der Ex-Medienmogul
und Ex-Pleitier vermarktet ab 2009 die TV-Rechte, will mehr Geld
erlösen als jene 500 Millionen Euro, die er bis 2015 jährlich an die
Liga zu überweisen hat. Mehr Geld gibt's nur gegen mehr Exklusivität,
teilt Pay-TV-Sender Premiere mit. Womit die heilige Kuh, die
ARD-Sportschau kurz nach 18 Uhr, auf wackligen Beinen steht. Bliebe
die Frage: Bietet jemand gegen Premiere? Und: Ist dann ein
Arrangement mit der ARD, die ganz sicher stärker zur Ader gelassen
wird, möglich? Außerdem: Welches Druckpotenzial geht von
Klubsponsoren aus, die ihr Tun von der Präsenz in der zeitnahen
Sportschau abhängig machen? Momentan ein klassischer Zielkonflikt.
InEngland, Spanien und Italien wird mehr Geld aus dem Big-Business
Fußball gepresst, wurden kulturelle, politische, emotionale Hürden im
Handstreich aus dem Weg geräumt. Deutschland, das Land der
Kaninchenzüchter- und Kleingärtnervereine, ist offenbar noch nicht so
weit.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
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